Das Vermächtnis

Aus briefromane
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Der 25-jährige Wenk schreibt nach dem Zweiten Weltkrieg einen Brief an den Bruder seines Freundes Schelling, in dem er ihm erklärt, dass sein Bruder während des Zweiten Weltkriegs gestorben ist. Er erzählt außerdem vom der gemeinsamen Zeit in der Normandie und später in Russland.


Inhalt und Figurenkonstellation[Bearbeiten]

Wenk sitzt, nachdem der Zweite Weltkrieg vorbei ist, in einem Cafe und sieht dort seinen früheren Hauptmann Schnecking, der gerade seine Promotion zum Dr. jur. feiert. Daraufhin erinnert sich Wenk an seine Zeit in der Armee im Zweiten Weltkrieg. Er beginnt also einen Brief an den Bruder von Schelling zu schreiben. Schelling war, ebenso wie Schnecker, Hauptmann im Batallion, in dem Wenk stationiert war, und gilt seit Ende des zweiten Weltkriegs als vermisst. Gleich zu Beginn seines Briefes eröffnet Wenk Schellings Bruder, dass dieser tot sei. Daraufhin erzählt er ihm seine Geschichte mit Schelling von Beginn an. Wenk wird im Sommer 1943 in die Normandie versetzt. Er soll dort als Melder für Oberleutnant Schelling arbeiten, den er, im Gegensatz zu dem Hauptmann Schnecker, von Anfang an schätzt. Schelling und Schnecker kennen sich schon lange, sind eigentlich Jugendfreunde, allerdings ist ihr Verhältnis etwas angespannt. In der Normandie herrscht bei den Soldaten Langeweile vor. Sie haben Stützpunkte am Strand, die sie , gegen mögliche Angriffe der englischen oder amerikanischen Armee sichern sollen. Angriffe bleiben allerdings aus, und so führen die Soldaten aus Wenks Sicht einen unsinnigen Dienst aus. Hinzu kommt, dass die Versorgung mit Nahrung sehr schlecht ist, und dies demoralisiert Wenk zusätzlich. Er freundet sich eng mit Oberleutnant Schelling an. Die beiden führen viele Gespräche und machen so gemeinsam das Beste aus ihrem Aufenthalt in der Normandie. Mit dem Hauptmann Schnecker geraten die beiden schon hier mehrmals aneinander, da Schelling sich sehr für genaue Aufteilung der Lebensmittelrationen einsetzt und so auf Fehler in der Rationierung hinweist. Während der Zeit in der Normandie geht Wenk häufig in die nahegelegenen Kneipen. In einer von diesen arbeitet ein Mädchen, Madeleine, in das er sich verliebt. Als er sie an einem Abend aufsucht findet er heraus, dass sie ein Verhältnis mit Schelling hat. Schelling bemerkt, dass Wenk ihn und Madeleine beobachtet hat. Beide sehen sie nie wieder, denn kurz darauf wird die Truppe nach Russland befohlen. Hier lernt Wenk den Krieg kurz vor Ende doch noch kennen. Er und Schelling kämpfen Seite an Seite. Nach acht Tagen an der Front und nachdem unter Schellings Anweisungen die Russen einmal in die Flucht geschlagen wurden, gibt es Meldung, dass das Batallion abgelöst würde. Innerhalb von acht Tagen hat sich das Batallion von Wenk nun fast um die Hälfte reduziert, als sie die Front verlassen. Sie ziehen sich in ein verlassenes Dorf zurück. Abends haben Schelling und Schnecker einen Streit, da Schelling ohne Schneckers Zustimmung "dienstfrei" angeordnet hat. Wenk wird Zeuge des Streites. Schnecker sagt am Ende des Streites, dass es noch ein Fest geben soll, ihm und Schelling zu Ehren. Schelling und Wenk beschließen hinzugehen. Schon auf dem Weg zum Fest sehen die beiden einen jungen Leutnant, Piester, der so betrunken ist, dass er sich übergeben muss. Dieser sagt, dass er von Schnecker zum Weitertrinken gezwungen worden sei, er meint, dass der Abend in einer Katastrophe enden würde. Wenk und Schelling bringen ihn in sein Zimmer. Als sie dann in dem Saal eintreffen, in dem Schnecker das Fest feiert, sehen sie ihn dort mit einem Artillerieoffizier und dem Batallionsarzt mit seiner Freundin. Schnecker ist offensichtlich schon sehr betrunken und wütend, da kein Schnaps mehr da ist. Plötzlich läuft Schnecker zur Tür und ruft Alarm aus. Wenk und Schelling schlagen sich mit ihm, Schelling sagt ihm er solle ruhig sein, damit die Soldaten wenigstens einmal schlafen könnten. Als Schnecker weiter schreit, schlägt Schelling ihm ins Gesicht. Daraufhin zieht Schnecker seine Pistole und schießt Schelling in den Kopf. Dieser ist sofort tot. In dem Moment hört man die Panzer anrollen, die Russen greifen das Dorf an. Wenk kann fliehen, sonst überlebt niemand den Angriff, bis auf Schnecker, den Wenk bis zu dem Tag im Cafe nie mehr gesehen hat. Wenk beendet den Brief, indem er Schellings Bruder mitteilt, dass die Wahrheit nun in dessen Händen liegt.


Form des Romans[Bearbeiten]

Bei dem Roman handelt es sich um einen Briefroman, also um einen langen Brief, den der Protagonist Wenk an den Bruder eines Freundes schreibt. In dem Brief erklärt er, dass sein Freund im Krieg getötet wurde und berichtet von der gemeinsamen Zeit in der Armee. Ein Antwortbrief liegt dem Leser nicht vor. Er besteht aus 156 Seiten und beginnt direkt im Einstieg mit dem Brief, es gibt also keine Erzählinstanz außerhalb des Briefes, in dem Wenk der Erzähler ist.


Interpretationsaspekte[Bearbeiten]

1) Zunächst wäre es für den Leser sehr interessant, den Titel des Briefromans zu analysieren. Dieser weist mehrere Möglichkeiten der Interpretation auf. Ist das Wissen Wenks um den Tod Schellings "Das Vermächtnis", welches er an den jüngeren Bruder von Schelling weitergibt, oder kann man den ganzen Roman als "Vermächtnis" verstehen? Wenn ja, kann man es als eine Wahrheit über den Krieg verstehen, die Heinrich Böll als "Vermächtnis" an die Deutschen hinterlassen hat.


2) Ein weiterer Aspekt, den man näher betrachten kann, ist die Abneigung Schellings gegen Hitler. Schelling äußert sich mehrmals abweisend gegen Hitler und nennt beispielsweise das damalige Volksheer einen "romantischen Irrtum"(S.77). Außerdem meint Schelling, dass man sich nichts "Widerlicheres vorstellen"(S.51) kann, als Eltern, die ihre Kinder morgens mit einem "Heil Hitler" begrüßen. Seine Abneigung, die er sonst nur gegenüber Wenk offenbart hat, findet seinen Höhepunkt, als er "das große Hitlerbild (...), das an der Stirnwand des Zimmers hing, ein prunkvolles Stück mit schwerem Goldrahmen" (S.93) einfach umdreht. Dass gerade der sympathisch dargestellte Schelling eine Abneigung gegen Hitler zeigt, soll für den Leser deutlich machen, dass nicht alle deutschen Soldaten aus Überzeugung gekämpft haben und dass es auch unter den hochrangigen Offizieren Gegner des NS Regimes gab. Die Abneigung des Autors gegen Hitler wird somit ebenfalls ausgedrückt.


Rezeption[Bearbeiten]

Die "Neue Züricher Zeitung" schrieb zu Heinrich Bölls "Vermächtnis", es ist "(...)eine Geschichte aus dem Krieg; ein Konflikt unter deutschen Soldaten, worin sich Historisches mit Persönlichem überzeugend mischt". Außerdem schrieb Joachim Kaiser für die "Süddeutsche Zeitung", man spüre, "dass in den Beschreibungen des realen Kriegsentsetzens eine noch fürchterlich frische Betroffenheit vibriert". Zudem findet er: "Böll meistert sie".

Ausgaben[Bearbeiten]

Erstausgabe: Heinrich Böll: Das Vermächtnis. Erzählung. Lamuv Verlag Bornheim-Merten 1982. 158 Seiten

Heinrich Böll: Das Vermächtnis. Erzählung. Insel Verlag Leipzig 1984. Insel-Bücherei 1046. 93 Seiten Bernd Balzer: Heinrich Böll Werke. Romane und Erzählungen 1. 1947–1952. S. 364–457. Kiepenheuer & Witsch Köln 1977 (ergänzte Neuaufl. 1987, 877 Seiten), ISBN 3-462-01871-X


Sekundärliteratur[Bearbeiten]

Gabriele Hoffmann: Heinrich Böll. Leben und Werk. Heyne-Verlag Biographie 12/209 München 1991 (Cecilie-Dressler-Verlag 1977). 301 Seiten, ISBN 3-453-05041-X
Bernd Balzer: Anarchie und Zärtlichkeit. in: Heinrich Böll Werke. Romane und Erzählungen 1. 1947–1952. Kiepenheuer & Witsch Köln 1977 (ergänzte Neuaufl. 1987, 877 Seiten), ISBN 3-462-01871-X
Jochen Vogt: Heinrich Böll. Verlag C. H. Beck München 1978 (2. Aufl. 1987), 192 Seiten, ISBN 3-406-31780-4
Árpád Bernáth: Das ‚Ur-Böll-Werk‘. Über Heinrich Bölls schriftstellerische Anfänge. S. 21–37. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Heinrich Böll. Heft 33 der Edition text + kritik München Oktober 1982. 156 Seiten, ISBN 3-88377-120-1
Karl Heiner Busse: Zu wahr, um schön zu sein. Frühe Publikationen S. 25–42 in: Bernd Balzer (Hrsg.): Heinrich Böll 1917–1985 zum 75. Geburtstag. Peter Lang AG Bern 1992. 354 Seiten, ISBN 3-906750-26-4
Werner Bellmann: Das literarische Schaffen Heinrich Bölls in den ersten Nachkriegsjahren. Ein Überblick auf der Grundlage des Nachlasses. S. 11–30. In: Werner Bellmann (Hrsg.): Das Werk Heinrich Bölls. Bibliographie mit Studien zum Frühwerk. Westdeutscher Verlag Opladen 1995, 292 Seiten, ISBN 3-531-12694-6
Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A – Z. S. 68 (698 Seiten). Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8

Weblinks[Bearbeiten]

[1]http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14345361.html

[2]http://www.zeit.de/2003/02/L-B_9all

[3]http://www.dtv.de/buecher/das_vermaechtnis_13017.html

Einzelnachweise[Bearbeiten]

1) Der Roman wird im fortlaufenden Text unter Angabe der Seitenzahl zitiert nach: Böll, Heinrich, Das Vermächtnis, Ungekürzte Ausgabe. München: Deutsche Taschenbuchverlag 2005

Wiebke Malin Ledwinka