Briefe in die chinesische Vergangenheit

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Mittels einer Zeitmaschine lässt der Autor des Briefromans „Briefe in die chinesische Vergangenheit“, Herbert Rosendorfer, den Mandarin namens Kao-tai den Süden Deutschlands erkunden. Dieser trifft auf viele für ihn ungewohnte Lebensgewohnheiten der Münchener, die er in insgesamt 37 Briefen festhält, die er an seinen Freund Dji-Gu richtet. ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________


Inhalt

Figuren und Figurenkonstellationen

Form des Romans

Interpretationsaspekte

Didaktische Aspekte

Rezension

Ausgabe

Forschungsliteratur

Weblinks

Einzelnachweis


Inhalt

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In dem Briefroman „Briefe in die chinesische Vergangenheit“ wird dargestellt, wie ein fremder junger Mann aus China dank einer Zeitmaschine im heutigen München landet und somit das 10. Jahrhundert in China verlässt. Sein ursprünglicher Plan war, dass er das 20. Jahrhundert in China erlebt, jedoch kommt es zu einem technischen Defekt und er wacht dementsprechend in München auf. In der neuen, fremden Welt angekommen, kommt auch schon ein Unbehagen in ihm auf, denn für ihn scheint alles ungewohnt und neu: „Die Zukunft ist ein Abgrund. Ich würde die Reise nicht noch einmal machen. […] Ich fühle mich in eine Fremde von unbeschreiblicher Kälte hinausgeworfen.“ (1) Er stellt sich beispielsweise die Frage: Was zum Beispiel sind diese riesigen Apparate, die sich mit eilender Geschwindigkeit fortbewegen? Damit sind die für ihn ungewohnten Autos gemeint. Derartige Fragen stellt sich Kao-tai immer wieder in seinen Briefen, die er an seinen Freund Dji-Gu in China abschickt. Dieses Abenteuer der gegenwärtigen Zeit würde Kao-tai wohl kaum bestehen, stünde ihm nicht der gute Herr Shi-shmi zur Seite, der ihn durch das heutige München führt, wodurch sich unser Protagonist immer wieder aufs Neue der Absurditäten unserer Gewohnheiten und Entdeckungen bewusst wird: „Ich bin sehr glücklich, daß ich den Kontaktpunkt, an dem ich diesen Brief niederlegen werde, wiedergefunden habe. Es ist mir dank eines Mannes gelungen, der mir viel geholfen hat und noch hilft.“(2) Aber auch hier hält er dem Reiz der Frauen nicht stand, die sich ganz nebenbei schon etwas eigenartig kleiden. Und sehr bald schon kann er seinem Freund Dji-Gu aus China viele Briefe über seine Entdeckungen, Abenteuer und Gedanken schicken. Später kehrt Kao-tai wieder zurück nach China.


Figuren und Figurenkonstellationen ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

In dem Briefroman tauchen insgesamt fünf entscheidende Figuren auf, die von dem Protagonisten erwähnt werden. Zuerst einmal der Protagonist selbst, um den es im Briefroman geht. Sein Name ist Kao-tai und er ist in seiner Heimat China Regierungsbeamter. Er ist Mandarin und Reisender, da er, wie schon erwähnt, ungewollt in München mit Hilfe einer Zeitmaschine landet, die er mit seinem Freund Dji-Gu gebaut hat. Womit wir auch schon zur nächsten Person kommen, und zwar zu seinem Freund und dem eigentlichen Erfinder der Zeitmaschine Dji-Gu. Er ist anders als Kao-tai in China geblieben und lebt dort in der Vergangenheit des 10. Jahrhunderts. Des Weiteren taucht sein Münchener Freund auf, den er in München kennenlernt und der auch schon bald sein guter Freund wird. Er trägt den Namen Shi-shmi (Schmidt). Er erklärt ihm das System, in dem er lebt, und beantwortet ihm viele offene Fragen, zudem hilft er Kao-tai, den für ihn ungewohnten Alltag zu bewältigen. Die Frau, mit der ein Verhältnis hat, heißt Frau Kei-kung und ist an einer Münchener Schule als Lehrerin angestellt. Die letzte Person aus dem Briefroman ist Yü-len, er ist ein Gesprächspartner für Kao-tai aus dem Hotel, in dem er schläft, und pflegt zu ihm ebenfalls eine gute Beziehung.


Form des Romans ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Es handelt sich beim Briefroman eindeutig um einen monologischen Briefwechsel, da kein direkter Briefwechsel zwischen zwei Personen dargestellt wird, obwohl Kao-tai seine Briefe an seinen besten Freund aus China, Dji-Gu, richtet. Jedoch erhalten wir keine sichtbare Antwort von Dji-Gu niedergeschrieben im Buch, denn Kao-tai greift in jedem seiner Briefe auf die von Dji-Gu geschriebenen Briefe zurück, die nur Kao-tai kennt und die wir dementsprechend als Leser nicht kennen, da sie im Roman nicht aufgeführt sind. Diese werden beispielsweise durch Zeilen wie diese gut erkennbar: „Deine Briefe erfreuen mein Herz in dieser regnerischen Welt. Ich kann sie übrigens inzwischen besser lesen und brauche sie, um scharf zu sehen, nicht mit weitgestreckten Armen vor mir zu halten […] Nach den Gedichten fragst Du? Ich bin noch nicht dazugekommen, sie anzuschauen.“ (3) Dem Leser werden Informationen offengelegt, die Dji-Gu an Kao-tai schreibt. Es werden insgesamt 37 Briefe dargestellt. Die Sprache ist sehr gut gemacht und vor allem gut verständlich, obwohl der Autor die altchinesische Sprache mit einfließen lässt. Des Weiteren ist auffällig, dass Kao-tai viele Wörter mit seiner Aussprache des Chinesischen ausspricht beziehungsweise aufschreibt. Anstatt „München“ schreibt er „Min-chen“. In fast jedem Substantiv, welches der Protagonist Kao-tai erwähnt, ist eine klare Trennung durch einen Trennungsstrich zu erkennen, was womöglich die Phonetik der chinesischen Sprache darstellen soll, die Kao-tai beherrscht und spricht. Beispiele für diese Auffälligkeit sind Wörter wie „A-tao“ (4) (Auto) und „Te-lei-fong“ (5) (Telefon). Jedoch versteht man alle für uns ungewohnten Wortumschreibungen, da sie dem Lexem sehr ähnlich sind und meist nur durch Buchstaben verändert werden, die keinen gravierenden Unterschied aufweisen in ihrer Form oder Aussprache. Also werden oft Neologismen beziehungsweise Lautmalereien verwendet. Auch lassen sich in den Briefen integrierte vereinzelte Gedichte finden.


Interpretationsaspekte ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Da das Buch als eine Art Satire angesehen werden kann, wird zugleich auch Kritik geübt. So übt auch der Protagonist Kao-tai ziemlich heftige Kritik. Der Autor Herbert Rosendorfer ist selbst Münchner und lässt über den Protagonisten gesellschaftskritische Äußerungen fallen. So ist das Auto für Kao-tai ein feuriger Dämon oder auch ein drachengroßes Wildschwein. (6) Er kritisiert insbesondere die Menschen, die einen egoistischen Fortschrittsglauben haben, und kommentiert diesen. Es wird der unaufhaltsame Fortschritt als Hauptkritikpunkt dargestellt. Des Weiteren lässt er in dem Briefroman nicht nur die Tradition und die Zustände während der 1980er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland kritisieren, sondern vielmehr den Kapitalismus, Kommunismus, aber auch das Verhältnis zu der Zeit. Er spricht viele Themen an, welche darstellen sollen, was wir nicht schätzen oder wie die Menschheit über einige Dinge wie z. B. den Verkehr und die Industrie denkt und diese dann immer mehr mit dem Nachteil der Ökonomie ausbaut und fördert, da die Menschen zum Beispiel weniger laufen und doch gerne mit dem Autor fahren und somit die Umwelt schädigen durch das Abgas. Gerade da lässt sich ganz gut eine Figur kreieren, welche in der Vergangenheit lebte, aber die Zukunft kennt und die Problematik sieht und diese nicht gutheißt. Es ist vielmehr ein Appell an die Menschheit, zu rekapitulieren, um sie zugleich zu sensibilisieren, was wir alles NICHT brauchen, um zu leben. Kao-tai hat gerade durch seine Gier den Fehler begangen, da er eine Zeitmaschine bauen ließ, die er nicht kontrollieren konnte, und ist jetzt total unglücklich in einem fremden Land gefangen. Es werden Sachen wie Religion, Gleichberechtigung der Frau, Musik, Kunst, Staatswesen, Rechtsprechung, Literatur, Krieg und Frieden thematisiert. Durch Kao-tai werden wir uns bewusst, dass all das, was uns so selbstverständlich erscheint, in Wahrheit nur Gewohnheiten sind, denen wir uns angepasst haben. Das Besondere dabei ist, dass die Kritik in Form belustigender Sprache sowie der Figur selbst schonender beigebracht wird, ohne wirklich die Menschen zu verurteilen. Jedoch kann man das Ganze auch positiv sehen beziehungsweise interpretieren, denn Kao-tai erlebt in seiner neuen Heimat auch viele schöne Dinge. Er wird nicht alleingelassen und findet schnell Anschluss bei den Menschen, die ihm helfen wollen. Er lernt die neue Kultur und Tradition kennen und hat auch Glück in Sachen Liebe. Das zeigt, dass die Menschen jeden Fremden als einen Menschen ansehen und alles dafür tun würden, um den Gast willkommen zu heißen. Wenn der Roman letztes Jahr erschienen wäre, hätte man direkt das Bild eines Syriers im Kopf, welcher in ein fremdes Land wie Deutschland flüchtet und alle neuen Gewohnheiten erstmal verstehen muss und versucht, Beobachtungen sowie Vorgänge zu interpretieren, die ihm selbst zunächst unverständlich erscheinen.


Didaktische Aspekte ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Für die Schule ist dieser Briefroman in Anbetracht einiger Aspekte sehr gut geeignet. Die Schüler und Schülerinnen leben in einer Zeit, in der sie von immer neuer Technik umgeben sind, sie kennen die Vergangenheit nicht ohne Technik und können sich meistens kein anderes Leben mehr vorstellen. Wenn ein etwas älterer Mensch der alten Schule mal nebenbei erwähnt, dass er zu seiner Schulzeit kein Handy hatte oder er alles aus Büchern abschreiben musste, wenn er mal etwas brauchte, sei es für ein Referat oder für eine Hausarbeit, bekommen die Schüler durch diesen Briefroman vor Augen gehalten, wie das Leben davor auch geklappt hat ohne viel Technik, denn die meisten Schüler argumentieren damit, dass sie ohne die sie umgebende Technik nicht überleben können, weil die Technik ein wichtiger Bestandteil für sie geworden ist, um am Leben teilzunehmen. Da das Buch auch viele Themen wie z. B. Globalisierung oder Ökonomie anspricht, kann man gute Verknüpfungen zu anderen Fächern wie der Biologie herstellen, sodass man Parallelen schafft. Wie schon erwähnt, ist das Buch leicht zu lesen, auch die Wortneuschöpfungen dienen dazu, andere Sprachen zu verstehen. Man lernt auch die Sichtweisen von fremden Menschen kennen und kann somit Vorurteile minimieren, welche man vielleicht gegenüber Chinesen oder anderen Ausländern hat, sodass man Schüler hinsichtlich einer Interkulturalität sensibilisiert. Der Mensch wird in Gewohnheiten hineingeboren, die er in anderen Ländern vielleicht nicht hat, wo aber andere Gewohnheiten für Einheimische gelten. Das Buch ist ab Anfang der achten Klasse sehr gut einsetzbar, da in diesen Klassenstufen langsam die heranwachsende Jugend sitzt, der vieles hinsichtlich der Umwelt oder ihrer Umgebung egal ist. Um gegenzusteuern, könnte das Buch zur Sensibilisierung von Wahrnehmung sozialer und kultureller Unterschiede dienen sowie eine Entwicklung sinnvoller Handlungsalternativen zur Integration mitgeben. Insbesondere die Tatsache, dass nur Kao-tais Briefe aufgeführt werden, ist sehr gut, denn man kann viele gute Aufgaben stellen, wie z. B. einen Brief von Dji-Gu zu schreiben im Hinblick auf die Informationen, die wir von Kao-tai bekommen. Dies fördert die Fantasie, Kreativität sowie die Schreibförderung, aber auch das Lesen wird gefördert und die Form, wie ein Brief aussieht, wie man einen Brief beginnt, Rückbezug auf den vorherigen Brief nimmt oder wie man sich angemessen verabschiedet.


Rezension ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

„Briefe in die chinesische Vergangenheit“ von Herbert Rosendorfer ist ein Buch mit Kult-Status, das auch über 25 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nichts von seinem Charme und Witz verloren hat. (7)

„Fest steht, dass kein anderer Münchner Autor mit seinem Roman einen derartigen Publikumserfolg erzielt hat.“ (8)

„Üppige Fantasie und Skepsis – mit Briefe in die chinesische Vergangenheit hat Herbert Rosendorfer eine Art Kultbuch geschaffen.“ (9)

„Der Autor besitzt die Gabe, im Normalen und Alltäglichen das Merkwürdige und Absurde zu erkennen. Sein Roman erfüllt alle Bedingungen anspruchsvoller Satire.“ (10)

„Man wünscht sich bei dieser Lektüre, dass die Reise immer weitergehen möge.“ (11)


Ausgabe ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Herbert Rosendorfer: „Briefe in die chinesische Vergangenheit“. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1983.


Forschungsliteratur ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

• Norbert Abels: „Der Brief: eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation“. O. V. O. O. 1996.

• Hartmut Heller (Hg.): „Raum – Heimat – fremde und vertraute Welt: Entwicklungstrends der quantitativen und qualitativen Raumansprüche des Menschen und das Problem der Nachhaltigkeit“. Otto Koenig Gesellschaft, Wien 2006.


Weblinks ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Manuela Sokele: „Briefe in die chinesische Vergangenheit“. 2010. URL: http://www.buchkritik.at/kritik.asp?IDX=5705 [08.04.2017, 14.02 Uhr].


Einzelnachweis ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

(1) Rosendorfer, 2012, S. 9, Z. 1–6.

(2) Ebd., S. 10, Z. 11–15.

(3) Ebd., S. 198, Z. 12–17.

(4) Ebd., S. 204, Z. 13.

(5) Ebd., S. 199, Z. 12.

(6) Vgl. ebd., S. 18, Z. 16–20.

(7) Sokele, 2010, o. S.

(8) Rosendorfer, 2012, Cover.

(9) Ebd.

(10) Ebd.

(11) Ebd.


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Faris Chauech (Universität Paderborn)