Geschichte des Fräulein von Sternheims

Aus briefromane
Version vom 18. Februar 2016, 11:05 Uhr von mw>Hannaaus
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Briefroman „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ handelt von einer jungen Frau, die mit Hilfe ihrer Tugendhaftigkeit, den zumeist konservativen Vorstellungen über das Verhalten der Frauen um 1800 entflieht. Sophie von La Roche verfasst dieses Werk, das im Jahre 1771 von Wieland herausgegeben wird. Sophie von La Roche gilt als erste deutschsprachige Verfasserin eines Romans.

Form des Romans[Bearbeiten]

Der Briefroman „Geschichte des Fräulein von Sternheim“ wurde 1771 von Wieland anonym herausgegeben. Er beschreibt zunächst in einem Vorwort seine Beweggründe zur Veröffentlichung, jedoch nennt er die Autorin, Sophie von La Roche, nicht (S.9-16). Diese wird aber kurz nach der Veröffentlichung des Romans bekannt. Im weiteren Verlauf des Romans kann man mehrere Kommentare des Herausgebers lesen (z.B. S.120). Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Diese Teile werden durch Titelblätter eingeleitet (S.7, 192). Im ersten Teil des Romans wird ein Rückblick aufgeführt, und erst nach 50 Seiten wird Sophie von Sternheim als Protagonistin eingeführt. Der größte Anteil des Romans sind Briefe von Sophie an ihre Freundin Emilia. Neben diesen Briefen gibt es noch mehrere Briefe von Lord Seymour an Doktor T., sowie von Lord Derby an einen Freund in Paris. Außerdem gibt es noch einzelne Briefe von anderen Figuren in der Geschichte, welche den Verlauf des Lebens der Fräulein von Sternheim aufzeigen. Die Briefe sind subjektiv. Sie werden nie beantwortet und es kommt zur Beschreibung einzelner Situationen aus verschiedenen Perspektiven. Durch die Perspektivwechsel bekommt der Leser einen tieferen Einblick in das Wesen der jeweiligen Person. Außerdem gibt es eine Erzählerinstanz. Die Kammerjungfer und gute Freundin Sophies von Sternheim, Rosine, übernimmt die Rolle des Erzählers. Dies geschieht, wenn das Fräulein durch Geschehnisse in ihrem Leben zu geschwächt ist, um Briefe zu schreiben oder Passagen zur Erläuterung fehlen (z.B. S. 52, S. 286).


Interpretation[Bearbeiten]

1. Sophie von Sternheim vertritt den Leitgedanken der Aufklärung. „Aufklärung ist der Weg des Menschen aus seiner selbst Verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant). Sie hilft zwei Familien dabei, aus einer unglücklichen Situation, in die sie sich selbst gebracht haben, zu entkommen. Sie entwirft einen Plan für die Familien (vgl. S. 154, 234). Das Fräulein von Sternheim „möchte mit diesen aus eigener Schuld elend gewordenen Leuten umgehen, wie der Arzt mit einem Kranken, der seine Krankheit mutwillig verdorben hat“ (S. 234). Sie hilft diesen Familien, ihr Leben wieder zu organisieren und weise und tugendhaft zu leben, bis sie „endlich wieder ohne Arzt leben [können]“ (S.234). Durch diese Taten zeigt Sophie ihre Auffassung, dass jeder für sein Schicksal selbst verantwortlich sei.

2. Sophie von La Roche stellt zwei unterschiedliche Frauenbilder in ihrem Roman dar. Auf der einen Seite steht Sophie von Sternheim, die die Schmeicheleien der Menschen unerträglich findet (vgl. S. 58). Sie lässt sich widerwillig herrichten, um der Etikette am Hofe zu entsprechen (vgl. S. 65), doch bezeichnet sie die Oberflächlichkeit der Menschen am Hofe als „Seuche“ (S. 63). Auf der anderen Seite steht die Tante des Fräuleins. Die Gräfin Löbau entspricht dem Ideal einer Dame am Hofe. Die Gräfin lässt Sophie schön kleiden und frisieren, geht mit ihr auf viele Feste und nimmt ihr sogar ihre Bücher weg (vgl. S.76). Sophie von La Roche stellt auf der einen Seite eine gebildete und tugendhafte Frau dar und auf der anderen Seite eine konservative Dame, die, wegen ihrer Einführung am Hofe von Vergnügen zu Vergnügen leben musste.

3. In dem Roman kann man einige Parallelen im Leben der Autorin und der Protagonistin erkennen. So werden beide Frauen pietistisch von ihren Vätern erzogen und ihnen wird die Bildung nahe gelegt. Außerdem gibt es im Leben der Frauen mehrere Männer und sie heiraten beide zunächst aus Vernunft und nicht aus Zuneigung. Das Fräulein von Sternheim heiratet Lord Derby, weil sie keinen anderen Ausweg sieht und nicht Lord Seymour, den sie liebt. Sophie von La Roche heiratet La Roche und lernt mit dessen Einfluss viele bekannte Personen, wie Goethe oder Schiller kennen. Auch sie kann den Mann, den sie liebt, wegen des Konfessionsunterschieds nicht heiraten. Des Weiteren nimmt Sophie von La Roche ihre drei Enkeltöchter, nach dem Tod der Mutter, bei sich auf. Die Parallele besteht darin, dass das Fräulein von Sternheim nach ihrer Heirat mit Lord Seymour immer wieder Mädchen bei sich aufnimmt, um diese zu unterrichten. Außerdem haben beide Frauen eine starke Neigung zum Schreiben.

4. Sophie von La Roche lernt ihren Vetter Wieland kennen, welchen sie zunächst heiraten will, diese Hochzeit kommt aber nicht zustande, da Wieland beruflich in eine andere Stadt wechseln muss. Dennoch bleiben der Kontakt und eine enge Freundschaft der beiden bestehen. Dies führt dazu, dass Wieland die „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ anonym veröffentlicht (S.10). Wieland spricht von der „Wahrheit und Schönheit“ (S. 10) des Romans und veröffentlicht das Schreiben seiner Freundin, um Gutes zu tun und möglichst vielen Menschen das Vorbild der Sophie von Sternheim mitzuteilen (S. 12). Obwohl Wieland die Schrift von La Roche inhaltlich schön findet, beschreibt er dennoch Mängel, die den Kunstrichtern auffallen werden (S. 13). Man sieht also, dass Wieland oberflächlich viel Gutes über das Werk der Sophie von La Roche sagt, aber man kann auch erkennen, dass er ihr die Kunstfertigkeit und Vollkommenheit eines Romans nicht zutraut. Dieser Aspekt wird durch die vielen Kommentare im Roman noch unterstrichen (vgl. z.B. S. 179, S.188). Wieland ist der Meinung, dass La Roche inhaltlich schön und gut schreibt, doch würde sie vor den Kunstrichtern nicht bestehen. Diese Sicht zeigt, dass ihr Werk in seinen Augen gut ist, da es von einer Frau geschrieben wurde, die es eigentlich nicht veröffentlichen wollte und nicht, weil sie eine talentierte Schriftstellerin ist.


Rezension[Bearbeiten]

Das Werk der Sophie von La Roche hat Begeisterung hervorgerufen. Der Charakter des Fräuleins von Sternheim stellt zur damaligen Zeit das Idealbild der Frau dar. Das „simple erhabene“ Fräulein von Sternheim wird verehrt (vgl. Caroline Flachsland) und Sophie von La Roche wird zur ersten weiblichen Autorin Deutschlands. La Roche hat viele Bekanntschaften mit berühmten Persönlichkeiten und Schriftstellern, wie zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe. Dieser gehört zu ihren größten Verehrern und urteilt nur positiv über sie: „Sie gehört zu den nivellierenden Naturen, sie hebt das Gemeine herauf und zieht das Vorzüglichste herunter und richtet das Ganze dann mit ihrer Sauce zu beliebigem Genuß an.“ 1 Allgemein kann man sagen, dass Sophie von La Roche eine der bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen ist. Dennoch hat ihr Werk bis heute nicht die Anerkennung erlangt, wie ein vergleichbares, von einem Mann geschriebenes Werk.


Ausgaben[Bearbeiten]

Von La Roche, Sophie. Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Stuttgart: Reclam Verlag 2011.

Wieland, Christoph Martin (Hrsg.): Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Von einer Freundin derselben aus Original-Papieren und anderen zuverlässigen Quellen gezogen. Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1771.


Einzelnachweise[Bearbeiten]

Der Roman wird im fortlaufenden Text unter Angabe der Seitenzahlen zitiert nach: Von La Roche, Sophie. Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Stuttgart: Reclam Verlag 2011.

1 Ritter, Heidi: Eine Frau entwirft das Bild einer Frau. Sophie La Roche und ihr Roman >> Geschichte des Fräulein von Sternheim <<. In: Wen kümmert’s, wer spricht. Zur Literatur und Kulturgeschichte von Frauen aus Ost und West. Hg. v. I. Stephan, S. Weigel, K. Wilhelms. Köln: Böhlau Verlag 1991. S. 167f.


Hanna Austermann, Universität Paderborn