Amalie, eine wahre Geschichte in Briefen

Aus briefromane
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Das Werk „Amalie. Eine wahre Geschichte in Briefen“ ist ein Briefroman, der 1788 veröffentlicht wurde. Marianne Ehrmann ist die Verfasserin dieses stark autobiographisch geprägten Romans. Der Herausgeber war jedoch ihr Mann. Inhaltlich besteht der Entwicklungsroman aus einem Briefwechsel zwischen den Freundinnen Amalie und Fanny, wobei Amalie häufiger Briefe verfasst. Die abgedeckte Zeitspanne des Briefwechsels kann auf mehrere Jahre festgelegt werden. Ehrmann erzählt einen Teil von Amalies Lebensgeschichte durch Erzählungen, in den von Amalie selbst geschriebenen Briefen. Zu Beginn sterben Mutter und Vater, später die einzige Schwester. Amalie beschreibt ihre Lage und ihre Gefühle so wie ihr Ringen mit den Männern und ihrer eigenen ökonomischen Sicherung. Zum Ende des Romans findet Amalie ihr Glück zusammen mit einem Mann, von dem sie in gleichen Maßen geliebt wird.


Inhalt und Figurenkonstellation[Bearbeiten]

Zu Beginn des Romans schreibt Amalie ihrer Freundin Fanny in einem Brief vom Tod ihrer Mutter und über die dadurch hervorgerufene Lage der Familie. Amalie steckt in tiefer Traurigkeit und Sorgen fest. Sie zieht mit ihrem Vater und ihrer Schwester vom Bruder des Vaters weg, allerdings nimmt der Vater den Bruder und die Kinder später wieder bei sich auf. Amalie beschreibt ihrer Freundin Fanny das schlechte und ungezogene Verhalten der Kinder. Die beiden Frauen philosophieren über Erziehung und die Folgen fehlender Bildung. Da Amalie sich um Geschäfte ihres Vaters kümmern muss, der in finanziellen Nöten steckt, reist sie in ihre Heimatstadt. Ihr Vormund und dessen Familie behandeln sie dort sehr schlecht. Sie verschlägt es daraufhin weiter zu Verwandten, bei welchen sie jedoch ebenfalls nicht gut behandelt wird. Amalie reist also zu einer frisch vermählten Freundin und sieht hier, wie schlecht eine Ehe verlaufen kann. Sie lernt außerdem einen Doktor kennen, für den sie schwärmt. Leider muss sie feststellen, dass der Doktor ihr bei der Abreise sehr kalt begegnet. In der folgenden Zeit arbeitet Amalie als Gouvernante bei verschiedenen Familien. Sie geht zum ersten Mal in ein Schauspiel und entdeckt ihre Leidenschaft für das Drama. Der zweite harte Schicksalsschlag erwartet sie: Der Vater stirbt und lässt Amalie und ihre Schwester als Waise zurück. Sie fällt emotional erneut in ein tiefes Loch. Glücklicherweise nimmt sich der Oheim aus K. der beiden Schwestern an und sorgt wie ein Vater für sie.

Weder der Oheim noch ihr Vetter B. oder Amalie selbst können verhindern, dass ihre Schwester Louise vom Vormund zur Erziehung ins Kloster gesteckt wird. Amalie ist sehr unglücklich darüber, da sie der Erziehung im Kloster sehr kritisch gegenübersteht und diese als rückschrittig gegenüber der aufklärerischen Erziehung und der Bildung des Geistes ansieht. Ihre finanzielle Situation sieht trotz der Unterstützung durch den Oheim nicht gut aus, und sie lebt für einige Zeit selbst im Kloster. Ihr wird allerdings recht schnell bewusst, wie wenig sie für diese Umgebung taugt. Währenddessen lernt sie einen Offizier kennen und zieht in Erwägung, sich mit ihm zu vermählen. Als dann ein verzweifelter Brief ihrer Schwester eintrifft, die zur Nonne gemacht werden soll, ergreift Amalie die Chance, durch die Vermählung aus dem Kloster zu fliehen und gleichzeitig ihre Schwester aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Ihr Gemahl reist also zu Louise, muss jedoch bei seiner Ankunft feststellen, dass Louise fiebrig und todkrank ist. Amalie verliert nun auch ihre Schwester.

In den nächsten Wochen und Monaten berichtet Amalie fortwährend über ihren Ehemann, der sich als hitziger, gewaltbereiter und spielsüchtiger Lüstling zeigt. Die mittlerweile schwangere Amalie wird von Tag zu Tag unglücklicher und findet keine Wege, um zu ihrem Mann durchzudringen. Die erste Phase der Ehe findet ihren Höhepunkt in einem gewalttätigen Ausbruch ihres Mannes, bei dem Amalie ihr Kind verliert. Sie flüchtet zu ihrem Oheim in K. Ihre Freundin Fanny ist jedoch geschockt, als Amalie zu ihrem Gatten zurückkehrt, da sie weder Ruf noch Ehre ruinieren will. Zu ihrem Entsetzen ändern sich die Umstände und das Verhalten ihres Mannes nicht, er wirkt wagemutiger als zuvor und verspielt auch das letzte geliehene Geld. Trotz Duldung der Ausschweifungen ihres Mannes versucht er Amalie eines Nachts im Taumel zu ermorden. Diese flieht ein zweites Mal zu ihrem Oheim in K. und wird von ihm aufgenommen. Er hilft ihr von ihm loszukommen und überredet sie, nie wieder zu ihrem Ehemann zurückzukehren.

Amalie kehrt ins Kloster zurück, leidet aber an ihrem schlechten Gemütszustand. Sie berichtet Fanny unter anderem von einem schlimmen Anfall. Auf Zutun ihres Oheims darf sie daraufhin eine Lustreise nach Venedig unternehmen, auf der sich ihr Gesundheitszustand wieder bessern soll. In der folgenden Zeit schickt sie Fanny viele Berichte über ihre Reise, in denen sie die Unterschiede der verschiedenen Nationalitäten erläutert. Außerdem stellt sie die Geschlechter und deren Betragen gegenüber. Kurz vor dem Ende ihrer Reise lernt Amalie einen Italiener namens Geronimo Lustrini kennen, mit dem sie in Briefkontakt steht. Beide haben Empfindungen füreinander, die Verbindung bleibt nach Amalies Abreise aus Italien jedoch nicht bestehen.

Zurück von ihrer Reise beginnt Amalie ihrer Leidenschaft für das Schauspielern nachzugehen. Sie bewirbt sich bei verschiedenen Gesellschaften und hat verhältnismäßig guten Erfolg. Widrige Umstände oder schlechte Gesellschaften zwingen sie dazu, ihre Gesellschaften oft zu wechseln und mit ihnen durch die Lande zu reisen. Obwohl Fanny sie immer wieder dazu anhält einer ehrenvolleren Tätigkeit nachzugehen, hält Amalie an ihrem Traum fest und berichtet immer wieder von den verschiedenen Frauen- und Männertypen, auf die sie trifft und charakterisiert sie. Amalie bildet ihren Menschenkenntnis dadurch weiter. Sie lernt wieder einen Mann kennen, wird jedoch bitter von ihm enttäuscht, da er sie nach kurzer Zeit wieder verlässt.

Diese neuerliche schlechte Erfahrung mit einem Mann verleitet sie dazu, ein Spiel mit den Männern zu treiben. Amalie versucht ihr Gewissen zu erleichtern und ihre eigene Rache an den von ihr wahrgenommenen Lastern des männlichen Geschlechts zu nehmen. Durch die Worte ihrer Freundin Fanny wird sie aber schnell davon überzeugt, dass dies nicht der richtige Weg für eine Frau ihres Standes ist. Außerdem lernt sie erneut einen Mann kennen, der ihr das Gefühl gibt, dass es Männer gibt, die ihren Vorstellungen dennoch entsprechen.

Die Verbindung mit diesem Mann festigt sich von Woche zu Woche und Amalie beginnt, diesen Mann aufrichtig zu lieben. Eine andere Frau steht ihr jedoch im Wege und sie verzweifelt an der Freundschaft, die ihr in diesem Moment nur zu bleiben scheint. Das Blatt wendet sich an dem Tage als Amalie erfährt, dass Wilhelm dem Mädchen seine Liebe gestanden hat und sie diese nicht erwidert hat. Der Weg für die Beziehung von Amalie und Wilhelm ist nun frei und die beiden vermählen sich nach längerer Zeit. Amalie ist sehr glücklich und teilt ihre Freude mit Fanny, deren Gatte Karl zufällig ein Studienkollege von Amalies Wilhelm ist.


Form des Romans[Bearbeiten]

Der Briefroman besteht insgesamt aus 163 Briefen, in die teilweise einzelne kürzere Briefe eingearbeitet sind. Da die Briefe nicht datiert sind, kann man weder das Datum noch die Abstände der Antworten genau festlegen. Generell lässt sich jedoch sagen, dass die Abstände manchmal Wochen oder Tage, teilweise auch Monate lang sind. Auffällig ist, dass Amalie oft zwei oder drei Briefe schreibt, bevor Fanny eine Antwort zurücksendet. Beide berichten dem anderen in Ich-Perspektive von ihren eigenen Erlebnissen, Beobachtungen und Gefühlen. Vor allem Amalie erzählt aus ihrem Alltag und Fanny gibt Tipps und kommentiert. Sie gibt immer ihre offene Meinung und ihre Erfahrung preis. Sie berichtet wesentlich seltener als Amalie nur aus ihrem Leben. Die Freundschaft der beiden Frauen festigt sich merklich im Verlauf der Zeit und es werden immer ehrlichere Meinungen ausgetauscht, welche teilweise zu kleinen Missverständnissen führen. Dennoch ist das Verhältnis der beiden liebevoll und aufrichtig.

Bei Veröffentlichung des Romans 1788 erschienen zwei Bände, und Herausgeber war Marianne Ehrmanns Ehemann Theophil Friedrich Ehrmann. Von ihm gibt es ein Vorwort im Briefroman (S. 3-5), sowie ein Nachwort (S. 331) von der Autorin selbst.


Interpretationsansätze[Bearbeiten]

1) Da im Briefroman von Ehrmann das Theater durch Amalies schauspielerische Tätigkeit aufgegriffen wird, möchte ich dies im zeitlichen Kontext untersuchen. Das Theater gilt im achtzehnten Jahrhundert als Medium der neuen „bürgerlichen Öffentlichkeit“ (1). In der Gesellschaft wird das Bild vermittelt, das Theater sei zur moralischen Erziehung entworfen und wolle die sittliche Bildung des Menschen vorantreiben. Aber vor allem nutze man diese Taktik als Werbung, um das Theater den Menschen näher zu bringen (2). Amalie wollte selbst ihren Beitrag dazu leisten, das Theater zu verbessern, musste aber auch an ihre ökonomische Sicherung denken. Durch Fannys und Amalies Haltung wird im Verlauf des Romans deutlich, dass Ehrmann das Theater aus ähnlicher Sicht wie Rousseau bewertet. Im Theater wird die Tugendhaftigkeit so überhöht dargestellt, dass der „normale Bürger“ niemals in der Lage wäre, diese Verhaltensmuster ansatzweise anzuwenden. Der Mensch beginne dann, die Moral als Eigenschaft des kreativen Genies zu sehen und verliere den Selbstbezug (3).

Um diesen Umstand zu vermeiden, sollen das Spiel und die Stücke mehr an Natürlichkeit gewinnen. „Illusion als Anspruch auf Wahrhaftigkeit wurde zur Leitlinie“ (4). Die Wandertheater starben immer mehr aus und die Schauspieler gewannen an sozialer Aufwertung, da sie nicht mehr Teil eines umherziehenden, rastlosen Volkes waren (5). Im Roman wird dies an den immer wechselnden Schauspielgruppen gezeigt, bei welchen Amalie arbeitet. Sie muss immer wieder neue Anstellungen suchen. An Fannys Reaktion wird verdeutlicht, dass das Ansehen von Schauspielerinnen in der Gesellschaft nicht hoch war. Von einer Frau bürgerlichen oder adeligen Standes wurde ein häusliches Leben erwartet.

2) Im Verlauf des Romans stellt sich das Frauenbild der beiden Freundinnen heraus. Da das Werk stark autobiografisch geprägt ist, wird man dieses Frauenbild auch auf Marianne Ehrmann selbst beziehen können. Das vorherrschende Bild von der Frau als Hausfrau und Mutter wurde zudem von vielen Literaten in der Zeit des achtzehnten Jahrhunderts aufgegriffen (6).

Die Rolle der Frau ist im achtzehnten Jahrhundert klar auf die häuslichen Aufgaben, also das private Leben eingegrenzt (7). Der Mann ist, im Gegensatz zur Frau, für Tätigkeiten in der (bürgerlichen) Öffentlichkeit zuständig. Zuhause soll alles so hergerichtet sein, dass der Mann sich dort wohlfühlen und erholen kann (8).

Auch bei Ehrmann zeigt sich die klare Zuweisung der Geschlechterrollen von Mann und Frau. Allerdings erfährt der Charakter der Frau eine Aufwertung und sie wird dem Mann nicht mehr nur noch untergeordnet. Die Frau bekommt durch das Aufblühen der bürgerlichen Familie eine größere Bedeutung – auch in der Gesellschaft. „Die Frau als treue, gehorsame und tugendhafte ‚Ehefrau‘“ wird von Amalie ebenfalls thematisiert (9). Um eine tugendhafte Ehefrau sein zu können, muss die Frau zum Denken erzogen werden. Moral und Menschenkenntnis (S. 172) helfen Frauen ihre guten Rollen zu erfüllen: „liebenswürdige Gattinnen, vernünftige Mütter und rechtschaffende Bürgerinnen“.

Ehrmann erläutert in Gestalt und Äußerungen der Freundinnen außerdem die wesensbedingten Einschränkungen des weiblichen Geschlechts (10). Amalie stellt an sich selbst fest, dass ihre Traurigkeit „durch Gewohnheit zu einer Leidenschaft“ (S. 162) wird. Dies läge an der Reizbarkeit und den schwachen Nerven der Frauen, welche nur durch (aufklärerische) Grundsätze im Denken der Frau eingedämmt werden könne (S. 163). Wenn die Frau nicht zum Denken in der Lage ist, und das seien nicht viele, so bedeute dies den Verlust der eigenen Ehre und Tugend. Die nichtdenkenden Frauen würden deshalb zu Opfern von schlechten Männern, da sie das kokettieren und den Eigennutz im Vordergrund haben (bspw. S. 164, S. 173). Die Grenzen des weiblichen Charakters werden jedoch nicht primär nur festgestellt. Ansätze zu Bekämpfung der Ungleichheit werden in der moralischen Erziehung der Frau gesehen. Der Frau ist es durch die Betonung der Familie im achtzehnten Jahr-hundert möglich, die volle charakterliche und sittliche Entfaltung im häuslichen Leben zu finden.


Ausgaben[Bearbeiten]

Ehrmann, Marianne: Amalie. Eine wahre Geschichte in Briefen. 4. Aufl. Berlin: Holzinger 2015.

Ehrmann, Marianne: Amalie, eine wahre Geschichte in Briefen. Von der Verfasserin der Philosophie eines Weibes. Bern: Hortin 1788.

Weblinks[Bearbeiten]

Online abrufbare Version: http://www.zeno.org/Literatur/M/Ehrmann,+Marianne/Romane/Amalie.+Eine+wahre+Geschichte+in+Briefen

Kurzbiographie: http://gutenberg.spiegel.de/autor/marianne-ehrmann-141

Und http://www.bibliomedia.ch/de/autoren/Ehrmann_Marianne/162.html


Einzelnachweise[Bearbeiten]

Der Roman wird im fortlaufenden Text unter Angabe der Seitenzahlen zitiert nach: Ehrmann, Marianne: Amalie. Eine wahre Geschichte in Briefen. 4. Aufl. Berlin: Holzinger 2015.

(6), (7), (9), (10) Deinhardt, Katja/ Frindte, Julia: Ehe, Familie und Geschlecht. In: Bürgerliche Werte um 1800. Hg. v. Hans-Werner Hahn/ Dieter Hein. Köln: Böhlau 2005.

(8) Frauen und Drama im achtzehnten Jahrhundert. Hg. v. Karin A. Wurst. Köln/ Wien: Böhlau 1991.

(1) Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied: Luchterhand 1962.

(2), (3), (4), (5) Möller, Frank: Das Theater als Vermittlungsinstanz bürgerlicher Werte um 1800. In: Bürgerliche Werte um 1800. Hg. v. Hans-Werner Hahn/ Dieter Hein. Köln: Böhlau 2005. S. 193-210.


Lena Bodusch, Universität Paderborn