Das Klassenbuch - Chronik einer Frauengeneration 1932-1976

Aus briefromane
Zur Navigation springen Zur Suche springen

„Wenn ihr uns in unseren schmucken Uniformen seht, dann muss euch eigentlich klar sein, was für eine herrliche Sache wir sind. Und der Beruf der Lagerführerin ist bestimmt der schönste, vielseitigste und interessanteste, befriedigendste Frauenberuf.“ (S. 107, Seiten im fortlaufenden Text beziehen sich auf Jantzen, Eva und Merith Niehuss: Das Klassenbuch. Chronik einer Frauengeneration 1932-1976. Weimar/Köln/Wien: Böhlau Verlage 1994). Diese euphorischen Zeilen verfasste Anna-Maria Mann in einem Brief an ihre ehemaligen Mitschülerinnen am 7. April 1938 und berichtete damit über die Zeit als Lagerführerin im Reichsarbeitsdienst, einer Organisation des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Diese und eine Vielzahl weiterer autobiographischer Eintragungen machen „Das Klassenbuch“ zu einem besonderen Zeitzeugnis, welches die reale Lebenswelt einer Frauengeneration von 1932 bis 1976 abbildet. Durch die unmittelbare Schilderung der Ereignisse stellen die zeitgenössischen Briefe der 15 Abiturientinnen einen ungefilterten, subjektiven Blick auf die Geschehnisse um den zweiten Weltkrieg dar. Im Gegensatz zu klassischen Zeitzeugenbefragungen ist durch den eingeschworenen Adressatenkreis und die direkte Niederschrift die Gefahr der Verschleierung, Beschönigung oder Bereinigung von Erinnerungen stark minimiert. Die ursprünglich handgeschriebenen Briefe wurden durch Eva Jantzen, die selbst Mitglied der Abiturklasse des Jahres 1932 war, zur Publikation aufbereitet und um biographische Angaben ergänzt.



Inhalt[Bearbeiten]

Im Jahre 1932 beschließen die Abiturientinnen der Königin-Luise-Schule in Erfurt (vgl. S. 10) über ein „Klassenbuch“ in Kontakt zu bleiben. Durch die lange gemeinsame Schulzeit verbunden, entsteht das Bedürfnis, das Leben der ehemaligen Mitschülerinnen weiter zu begleiten. So nutzen sie ein leeres Buch, dessen Seiten schon bald mit Briefen der 15 jungen Frauen gefüllt sind. Die anfänglichen Eintragungen der Klassenmitglieder dokumentieren erste Berührungspunkte mit dem Berufsleben. Die jungen Frauen lernen kochen und schneidern, machen eine Ausbildung in einem Pflegeberuf, einer Apotheke, einer Gärtnerei oder einer Bibliothek, erlernen das Handwerk der Fotografie oder sind an einer Universität eingeschrieben. Der weitere Briefwechsel wird von Eheschließungen, den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und der schweren Nachkriegszeit geprägt. In sehr privaten Erlebnisberichten schildern die Frauen ihren Alltag und verarbeiten das Geschehene.


Charaktere[Bearbeiten]

Hilde Muthesius

Nach dem Abitur lernt Hilde kochen und schneidern, bevor sie im Herbst des Jahres 1932 als Krankenpflegeschülerin die Diakoniestation in Potsdam besucht (vgl. S. 18 f.). Die Arbeit auf der Säuglingsstation bereitet ihr große Freunde, dennoch fühlt sie sich durch die kirchliche Trägerschaft im privaten Bereich stark eingeschränkt (vgl. S. 69 f.). Es folgt eine Etappe als Säuglingspflegeschülerin in Danzig, ehe Hilde 1936 als Hilfsschwester in einem Krankenhaus in Suhl tätig wird (vgl. S. 98 f.). 1939 heiratet Hilde ihren Mann, mit dem sie in Berlin wohnt, da dieser am Neubau des Flughafens Tempelhof beteiligt ist. Nach dem Polenfeldzug wird er zum Kriegsdienst eingezogen (vgl. S. 119 ff.). Im Jahre 1940 bekommt Hilde ihr erstes Kind. Nachdem 1942 sein Flugzeug in Brand geschossen wurde, gilt ihr Mann als vermisst. Er wird in englischer Gefangenschaft gehalten und kehrt nach Kriegsende zurück (vgl. S. 136 ff.). In ihrem Brief vom 14. Oktober 1948 berichtet Hilde, dass die Familie nun in Oldenburg wohnt und sie ihr zweites Kind bekommen hat (S. 170). Im Jahre 1949 bekommt sie das dritte Kind. Aus beruflichen Gründen ziehen sie nach Köln um. Dort lassen sich Hilde, ihr Mann und die Kinder erstmalig gemeinsam, wenn auch in einer sehr kleinen Wohnung, nieder (vgl. S. 179 ff.).


Ursula Kleiner

Ursula lernt im Anschluss an das Abitur ebenfalls kochen und schneidern (vgl. S. 21 ff.), bevor sie im August des Jahres 1932 nach München umzieht. Dort besucht Ursula die Staatslehranstalt für Lichtbildwesen. Da sie im Anschluss an die Ausbildung in München keine Anstellung findet, zieht sie nach Berlin. Trotz der widrigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt erhält Ursula unmittelbar eine Anstellung als Werbefotografin bei einer Tochterfirma der Deutschen Reichsbahn. Ursula heiratet einen im Militär aktiven Arzt. Nach der Eheschließung legt sie ihre Erwerbstätigkeit nieder und siedelt zu den Schwiegereltern nach Murnau um. Noch vor Kriegsbeginn beziehen sie und ihr Ehemann in Bad Reichenhall die erste gemeinsame Wohnung (vgl. S. 100 ff.). Im Jahr 1944 berichtet Ursula in ihrem Brief, dass ihr Mann bereits seit Beginn des Krieges im Einsatz sei und sie inzwischen zwei Kinder zur Welt gebracht habe (vgl. S. 142 f.). Am Ende des Krieges verliert die Familie ihren Besitz und die Wohnung wird beschlagnahmt. Zusätzlich zu den eigenen drei Kindern hat Ursula acht Verwandte zu versorgen. Ihr Mann gilt für den Zeitraum eines Jahres als vermisst, sodass die Nachkriegszeit durch den Kampf um Nahrung und das Überleben geprägt ist. Nach der Rückkehr ihres Mannes verlegt die Familie ihren Wohnsitz nach Nürnberg, wo sie eine Praxis eröffnen. Ursula hat fortwährend mit den gesundheitlichen Folgen der Hungerjahre zu kämpfen (vgl. S. 199 ff.).


Erika Hausmann

Erika beginnt direkt nach dem Abitur eine Ausbildung zur Gärtnerin (vgl. S. 26 f.). Um das Auskommen der Familie zu sichern und Erikas Bruder das Studium zu finanzieren, ist ihr Vater im Reichsarbeitsdienst tätig. Aufgrund der beruflichen Gebundenheit muss die Familie ihr Haus in Erfurt verkaufen und wandert 1933 in das benachbarte Weimar ab. Erika aber verbleibt bis zum Ende ihrer Ausbildung in Erfurt (vgl. S. 66 ff.). Am 4. April 1936 berichtet die zuvor wenig männerfreundliche Erika von ihren Heiratsabsichten. Der Auserwählte sei „Feldmeister und Adjutant [...] am Arbeitsgau 23“ (S. 94). Erika arbeitet währenddessen als Gutsgärtnerin an der Weser (vgl. S. 94). Die ersten Ehejahre verbringen sie „meist getrennt durch Kurse, Dienen beim Militär, Reichsparteitage“ (S. 140), da Erikas Mann Abteilungsleiter des Reichsarbeitsdienstes in Gera ist. Nachdem sie zwei Kinder zur Welt gebracht hat, erfolgt die Versetzung ihres Mannes nach Oldenburg. Als die Fliegertätigkeiten dort zunehmen, zieht Erika mit den Kindern nach Freiburg zu ihren Eltern (vgl. S. 187 ff.). Am 19. Oktober 1959 berichtet sie aus Oldenburg vom Kriegsende. Die Zuckerkrankheit ihrer Tochter und die Schwierigkeiten des Mannes, eine Arbeitsstelle zu finden, prägen den Alltag in der Nachkriegszeit. Darüber hinaus schildert sie die durch die Einquartierung verursachten Strapazen und den krankheitsbedingten Tod ihres Sohnes. Erikas Mann bekommt schließlich eine Anstellung im Versorgungsamt (vgl. S. 225 ff.).


Käthe „Käthchen“ Noack

Am 17. Juli 1932 berichtet Käthe von ihrem Ausbildungsbeginn in einer Apotheke (vgl. S. 29 f.). Sie hat große Freude an der Arbeit und besteht 1934 das Examen. Direkt im Anschluss findet sie eine Anstellung (vgl. S. 76 ff.). Am 4. November 1935 informiert sie ihre ehemaligen Klassenkameradinnen über ihren halbjährigen Eintritt in den Reichsarbeitsdienst. Im Anschluss wolle sie in Jena studieren (vgl. S. 91). Im Arbeitsdienst erleidet sie einen Leistenbruch. Um sich von der Verletzung zu erholen, quittiert sie den Dienst. Inzwischen lernt Käthe ihren zukünftigen Ehemann kennen und sieht aus diesem Grund von einem Studium ab. Käthe heiratet während des Krieges. Nur vier Wochen später wird ihr Ehemann eingezogen. Sie nimmt die Arbeit in der Apotheke wieder auf. Diese lenkt sie von den Ereignissen des Krieges ab (vgl. S. 127 ff.). Im Jahr 1948 berichtet Anna-Maria über Käthe. „Änne erhielt das Buch von Käthe, die sich selbst nicht im Stande sieht hineinzuschreiben“. Sie weiß zu berichten, dass Käthe noch während des Krieges Medizin studierte und ihr eigenes Laboratorium führte (vgl. S. 142). Zwischen den Briefen der Jahre 1964 und 1965 ist eine Notiz der Autorin zu finden, derer sich entnehmen lässt, dass Käthe weiterhin in Erfurt verblieb, aber jede Eintragung verweigerte. Die erste Ehe scheiterte und sie heiratete einen jüngeren Mann, von dem sie ein Kind bekam. Sie lebten unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Nachdem ihr Mann wegen verschiedener Delikte verhaftet wurde, erhängte Käthe sich und ihren Sohn in der eigenen Wohnung (vgl. S. 228 f.).


Pauline „Paul“ Schneider

Im August 1932 berichtet Pauline von der Buchhändlerlehranstalt in Lips, die sie für den Zeitraum eines Jahres als den Ort ihrer Ausbildung bezeichnet. Darüber hinaus spricht sie ihren Klassenkameradinnen die Empfehlung aus, nicht zu heiraten (vgl. S. 32 f.). 1934 stirbt Paulines Vater und im Jahr 1937 ihre Mutter. Daraufhin siedelt Pauline nach München um, wo sie ihren zukünftigen Ehemann kennenlernt. Im Jahre 1938 heiratet sie entgegen ihrer eigenen Empfehlung den aktiven Offizier. Mit Beginn des Krieges reist Pauline nach Bayreuth zu den Großeltern ihres Mannes. Sie leidet sehr unter der Trennung und hat den Tod ihres Mannes betreffende Vorahnungen. Neuen Lebensmut fassend, meldet sie sich freiwillig zum Reichsarbeitsdienst. Durch Fleiß und Ehrgeiz kann sie sich binnen kürzester Zeit zur Lagerführerin hocharbeiten. Durch die gemeinsamen Ideale gewinnt auch die Beziehung zu ihrem Ehemann und sie bekommen eine gemeinsame Tochter. Am 28. Februar 1942 stirbt ihr Ehemann den „Heldentod“ (S. 155) an der Ostfront (vgl. S. 155 f.). Im Jahre 1944 zieht Pauline zu ihrer Schwester nach Dresden, wo sie Arbeit in einer Rüstungsfabrik ableisten muss. Nach der Bombardierung Dresdens kehrt sie nach München zurück. Dort lebt Pauline zusammen mit vielen Untermietern in ihrer ehemaligen Wohnung. Eine Pension wird ihr nicht gezahlt, da ihr verstorbener Ehemann als „belastet“ (S. 182) gilt. Den Lebensunterhalt verdient sie als Haushaltshilfe. Am 16. November 1958 berichtet Pauline, dass sie ihre Tochter in ein Waisenhaus gegeben hat. Darüber hinaus schildert Pauline ihre eigene Wesensveränderung zu einem spirituellen, materiellem Wohlstand entsagenden Leben (vgl. S. 182 ff.).

Lotte Schuster

„Ich war in Weimar: / Als Haushaltspraktikantin, schlicht um schlicht.“ (S. 35) Mit diesen Worten beginnt Lottes erster Brief, den sie in Form eines Gedichtes verfasst. Nach nur fünf Wochen verlässt sie die Haushaltsschule (vgl. S. 35 f.). 1934 berichtet sie von der Zeit als Praktikantin im Jugendsanatorium in Nordhausen. Die Anstellung in diesem „Heim für jugendliche Psychopathen, Schwererziehbare und zurückgebliebene Kinder und Jugendliche“ (S. 83) verliert sie, als der Einrichtung die finanziellen Mittel gekürzt werden. Im Anschluss tritt sie in den Reichsarbeitsdienst ein, ehe sie an der Deutschen Frauenakademie in Düsseldorf zum „Volkspfleger“ (S. 85) ausgebildet wurde (vgl. S. 83 ff.). Am 1. Juli 1948 berichtet Eva in ihrem Brief über Lotte. Diese habe in einem Heim für schwererziehbare Kinder in Moschwig gearbeitet und sei sehr glücklich mit dieser Tätigkeit gewesen. Nach dem Tod beider Eltern habe sie dort eine neue Heimat gefunden (vgl. S. 168).


Eva Isenthal

Eva studiert nach dem Abitur in München u. a. Kunstgeschichte. In ihrem ersten Brief beschreibt sie den universitären Alltag und ihre Suche nach beruflicher Verwirklichung (vgl. S. 36 ff.). Am 4. September 1934 berichtet sie, dass an drei Abenden die Woche ein Sanitätskurs und Kurse zu Themen wie Gasschutz und Nachrichtenwesen zu besuchen sind (vgl. S. 79 ff.). „Wir haben viel gelernt und werden im nächsten Krieg die Brandbomben in der hohlen Schürze auffangen können.“ (S. 80). Eva promoviert im Alter von 22 Jahren in Kunstgeschichte und verlobt sich anschließend mit einem Archäologen. Nach der Hochzeit 1936 bereist das Ehepaar die Welt und lässt sich in Griechenland nieder, wo Evas Ehemann beruflich tätig ist. Wegen des drohenden Krieges kehrt die schwangere Eva nach Deutschland zurück (vgl. S. 122 ff.). Dort lebt sie bei ihren Eltern und bekommt zwei Kinder. Nach Kriegsbeginn detoniert das Haus der Eltern, indem sich auch Evas Kinder befinden. Die Eltern überleben schwer verletzt, die Kinder nahezu unbeschadet (vgl. S. 147 f.). Wegen der zunehmenden Angriffe zieht die Familie aufs Land. Auch Evas Ehemann wird vom Militär eingezogen. Zunächst wird er als Gebirgsjäger und später als Dolmetscher eingesetzt. Nach Kriegsende kommt er nach Deutschland und die Familie kehrt nach Erfurt zurück. Dort nimmt Eva eine Anstellung als Volontärin im Erfurter Museum an und ihr Mann kommt einer wissenschaftliche Tätigkeit nach. Es folgt seine Versetzung nach Hamburg. Der „eiserne Vorhang“ (S. 167) bereitet der Familie große Probleme. Mehrfach muss Eva Strafen wegen unerlaubter Grenzüberschreitungen ableisten (vgl. S. 163 ff.). 1949 erhalten Eva und ihre Kinder eine Umsiedlungserlaubnis nach Hamburg, wo sie erneut eine journalistische Tätigkeit bei einer Zeitung nachgeht (vgl. S. 192 f.). Nach der Pensionierung ihres Mannes kehrt das Paar 1965 nach Griechenland zurück (vgl. S. 241 ff.).


Anna-Maria „Änne“ Mann

Am 12. September 1932 berichtet Anna-Maria erstmals von ihrer Ausbildung im Stettiner Krankenhaus und der Absicht vorerst nicht zu heiraten (vgl. S. 40 f.). Nach zwei weiteren Jahren in Stettin wechselt sie in eine Klinik in Arnstadt am Thüringer Wald. Zunehmend unter der kirchlichen Vormundschaft der Diakonie leidend, meldet Anna-Maria sich zum Reichsarbeitsdienst. „Im Januar 37 wurde ich Arbeitsmaid, und das war herrlich. Meinen Klassenkameradinnen, die in diesem Buch den Arbeitsdienst schlecht machten, kann ich nur entgegentreten.“ (S. 105) 1938 übernimmt sie die Lagerführung in Vollenborn. Ihre Aufgaben liegen in der „Erziehung zu Kameradschaft, zum Nationalsozialismus, zur Arbeit“ (S. 106). Durch die berufliche Erfüllung vermisst sie weder Mann noch Kinder (vgl. S. 104 ff.). Nichtsdestotrotz quittiert sie den Dienst, nachdem sie ihren Ehemann kennenlernt. Als Arzt ist dieser zu Beginn des Krieges außerhalb und später in Dresden tätig, wo sie gemeinsam leben und eine Tochter bekommen (vgl. S. 144 ff.). Am 12. Februar 1944 reist Anna-Maria mit ihrer Tochter zur Schwägerin nach Greiz, um dieser mit der Versorgung der Kinder zu helfen. In der folgenden Nacht wird Dresden bombardiert. Ihr Mann überlebt den Angriff, aber ihre Schwester wird in Meiningen durch einen Bombenangriff getötet. Wenig später reist auch Anna-Marias Ehemann „seelisch stark mitgenommen durch die Geschehnisse zu Kriegsende und den Untergang der deutschen Herrlichkeit“ (S. 158) nach Greiz. Bei einer Razzia wird er von russischen Soldaten mitgenommen und stirbt 1947 in einem Lager. Anna-Maria arbeitet als Schwester und lebt zusammen mit ihrer Mutter und Tochter in Fambach (vgl. S. 209 ff.). Sie beginnt ein Studium an einer medizinischen Fachschule, um Arzthelferin zu werden (vgl. S. 220 f.). Nach erfolgreichem Abschluss arbeitet sie in einer Praxis. 1968 verliert sie die Anstellung, da genügend ausgebildete junge Ärzte vorhanden sind. Nachdem ihre Mutter 1969 verstorben ist, zieht Anna-Maria zu ihrer Tochter nach Erlabrunn (vgl. S. 245 ff.).


Katharina Schnieder

Katharina steigt als Praktikantin im Diakonieverein Darmstadt in die Berufswelt ein. Später erwirbt sie ein Krankenpflegeexamen beim Roten Kreuz in Erfurt, gefolgt von einer Ausbildung zur technischen Assistentin (vgl. S. 42 ff.). Ab 1936 arbeitet Katharina in einer „großen Irrenanstalt für Männer“ (S. 110) bei Bad Wildungen. „Ich musste Blutuntersuchungen machen, röntgen und die Kranken für rassekundliche und erbgesundheitliche Zwecke photographieren.“ (S. 111) Nach eineinhalb Jahren zieht sie nach Marburg und wirkt dort in den Behringwerken bei der Herstellung von Seren zur Bekämpfung des Wundstarrkrampfes und Diphtherie mit. Im Anschluss arbeitet sie in einem Standortlazarett in der Nähe ihrer Eltern (vgl. S. 110 ff.). Der letzte Brief von Katharina stammt aus dem Jahr 1938. 1964 berichtet Anna-Maria über Katharina: „Sie war Ärztin geworden, wie Ihr wißt, mit Schwerpunkt auf Labor-Arbeit. Aber sie ist seit einiger Zeit gemütskrank, […], und sie lebt in einem Heim.“ (S. 209)


Jutta Burger

In ihrem Brief vom 7. Oktober 1932 berichtet Jutta ihren Mitschülerinnen von ihrem Bibliothekspraktikum in Jena (vgl. S. 48 f.). Später wird sie von der Weimarer Landesbibliothek angestellt (vgl. S. 87). Der Liebe wegen zieht sie kurz darauf ins Rheingau, wo sie und ihr Mann sehr abgeschieden leben (vgl. S. 96 f.). Ihrem Brief vom 3. November 1944 ist zu entnehmen, dass sie zwei Kinder bekommt, die sie aufgrund der Kriegsereignisse zu ihren Eltern geben muss (vgl. S. 130). Nach dem Krieg finden Jutta und ihr Mann in Freiburg ihr neues Heim und Jutta gebärt ihr drittes Kind (vgl. S. 177 f.).


Hertha „Herzchen“ Naumann

Nach dem Abitur begann Hertha ein Medizinstudium in Jena. (vgl. S. 51 ff.). Erst 1963 meldet sie sich in einem Brief wieder zu Wort. Seit 1953 ist sie als niedergelassene Ärztin tätig und bewirtschaftet ihre ländliche Praxis allein. Ihre Eltern sterben in den Jahren 1958/59 (vgl. S. 222). Einer Anmerkung der Autorin zwischen den Briefen des Jahres 1967 ist zu entnehmen, dass Hertha tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde. Obgleich der Grund des Todes nie bekannt wurde, geht die Autorin von einem Suizid aus (vgl. S. 237).


Hertha Schönemann

Hertha bestreitet nach dem Abitur eine Englandreise. Während ihres halbjährigen Aufenthaltes verbessert sie ihre Sprachkenntnisse und übte sich im Reiten. Zurück in Erfurt erlernt sie Schneidern und schreibt dazu: „Wahrscheinlich würde man in alter Weise als ,Frau und Mutter‘ am glücklichsten sein.“ (S. 58). Am 28. September 1935 berichtet sie erstmalig aus ihrer neuen Heimat Mexiko, wo ihr Ehemann eine Finca betreibt (vgl. S. 88 ff.). In Mexiko bringt Hertha ihr erstes Kind zur Welt. Vor der Geburt des zweiten Kindes reist sie zurück nach Deutschland (vgl. S. 114 f.). Nach ihrer Rückkehr erleben sie die ersten beiden Kriegsjahre ruhig in Mexiko. 1940 bekommt Hertha ihr drittes Kind. Die Kriegsereignisse verfolgt die Familie am Radio. Den Wendepunkt stellt der Kriegseintritt der USA und Mexikos dar. „Deutscher Besitz wurde beschlagnahmt, alle Deutschen mußten nach der Hauptstadt und durften sie bis Kriegsende nicht verlassen.“ (S. 196) Hertha gebärt ihr viertes Kind, bevor die Familie 1950 ihren Besitz zurückerhält. Während Herthas Mann auf die 2000 Kilometer entfernte Finca zurückkehrt, bleibt sie mit den Kindern in Mexiko-Stadt, um ihnen den Schulbesuch zu ermöglichen (vgl. S. 196 f.).


Anneliese Sachser

Anneliese verlässt das Mädchengymnasium bereits vor dem Abitur und tritt erst 1934 in den Kreis der Briefschreiberinnen ein. In ihrem ersten Brief schildert sie das Leben ihrer kleinen Familie (Mann und Tochter) in Altendambach, einem Dorf mit 500 Einwohnern. Als Pfarrersfrau geht sie in Erwartung ihres zweiten Kindes den Gemeindeaufgaben nach (vgl. S. 73 ff.). Nach einer Erkrankung stirbt ihr Zweitgeborenes (vgl. S. 92). 1938 bringt sie ihr drittes Kind zur Welt. Während des Krieges dient ihr Mann als Soldat, und sie übernimmt die Aufgaben in der Gemeinde. (vgl. S. 161 f.) 1958 siedelt die Familie nach Erfurt um. Als Pfarrerskind kann ihr ältester Sohn im Osten nicht studieren und setzt sich in den Westen ab (vgl. S. 206). Am 20. November 1967 berichtet Anneliese von ihrer eigenen Umsiedelung in den Westen und den Schwierigkeiten, sich in die dortige Gemeinschaft einzufügen (vgl. S. 238).


Ilse Strocker

Auch Ilse besucht die Schule nicht bis zum Abitur, da sie für den Betrieb des Vaters eine kaufmännische Ausbildung anstrebt. Im Anschluss ist sie in seinem Auftrag als Handelsreisende tätig. Ilse heiratet ihren Tanzstundenfreund, legt ihren Beruf nieder und bekommt ein Kind, bevor ihr Mann in den Krieg zieht (vgl. S. 132). Ilses zweiter Brief stammt aus dem Jahr 1962. Sie schreibt aus dem Krankenhaus, in dem sie sich wegen einer Nervenentzündung als Folge der Überarbeitung behandeln lässt. Ilse berichtet von ihrer Scheidung im Jahre 1944, die auch mit einem materiellen Verlust einhergeht. Das Firmengebäude des Vaters wird zur Deutschen Handelszentrale, und die Filiale in Kassel wird ohne Ilses Beteiligung von ihrem Exmann betrieben. Später heiratet sie einen zwölf Jahre jüngeren Mann und bringt 1949 ein weiteres Kind zur Welt. 1951 siedelt sie nach Leipzig um, wo ihr Mann an einer Fachschule für Bibliothekare lehrt. Ilse arbeitet von Zuhause als Lektorin, um trotz Berufstätigkeit ihre Kinder betreuen zu können. 1959 zieht die Familie nach Berlin, wo Ilses Mann die Kulturredaktion einer Zeitung übernimmt. Ilse ist als freie Journalistin tätig (vgl. S. 212 ff.). Nachdem ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten hat, widmet sie sich seiner Pflege. Im Anschluss an seine Genesung wendet er sich von der stressigen redaktionellen Tätigkeit ab und übernimmt eine Stelle als Cheflektor. Ilse, die sich beruflich stets an ihrem Mann orientiert hatte, entscheidet sich trotzdem, ihre journalistische Tätigkeit weiter zu verfolgen (vgl. S. 251).


Klara „Klärchen“ Witzel

Klara heiratet 1938, nachdem sie als Dolmetscherin tätig gewesen ist. Ihr Mann ist als Studienrat an einem Gymnasium in Dillingen an der Donau beschäftigt. Während des Krieges reist er als Dolmetscher, bevor er in amerikanische Gefangenschaft gerät. Nach langer Zeit der Ungewissheit kehrt er 1945 zurück. Die beiden bekommen sieben Kinder (vgl. S. 172). 1955 zieht die Familie von Dillingen nach München, wo Klaras Mann als Gymnasiallehrer zu arbeiten beginnt (vgl. S. 204 ff.).


Form des Romans[Bearbeiten]

„Das Klassenbuch“ weist die Form eines klassischen Briefwechsels auf. Von Beginn an werden die Eintragungen in einem Buch gebündelt, sodass die Briefe ihre Reise stets als Gesamtwerk antreten. Der Kreis der Briefschreiberinnen setzt sich aus insgesamt 15 Personen zusammen. Dabei reicht die Spanne der Beteiligung der einzelnen von lediglich zwei, bis hin zu neun Briefen. Insgesamt enthält der Roman 70 Briefe, verteilt auf den Zeitraum vom 12. Juni 1932 bis zum 25. Juli 1976. Bis zur letzten Eintragung des Jahres 1949 dokumentieren die Schriftstücke die aktuelle Erlebniswelt ihrer Verfasserinnen. Zwischen dem 3. Mai 1949 und dem 7. April 1958 entstand eine den Briefwechsel betreffende Lücke: „Niemand kann erklären, wo sich dies Dokument die neun Jahre seit Klärchen´s Eintragung herumgetrieben hat.“ (S. 174) Das führt auch dazu, dass die folgenden Briefe zunächst eine Retrospektive einnehmen. Die Schilderungen stellen einen Blick in die Vergangenheit dar und sind nicht mehr unmittelbar mit dem Zeitgeschehen verwoben. Darüber hinaus werden die Abstände zwischen den Eintragungen im weiteren Verlauf, aufgrund der Transportproblematik zwischen Ost- und Westdeutschland, größer. Somit weisen die Schriftstücke fortan eine inhaltliche Zweiteilung auf. Durch die bereits erwähnte Retrospektive wird der Lebensweg der vergangenen Jahre skizziert und mit aktuellen Ereignissen ergänzt. Auf den insgesamt 273 Seiten erscheinen auch 17 der ursprünglich handgeschriebenen Briefe im Anschluss an die elektronisch erfasste Version. Darüber hinaus ist der Mittelteil des Buches mit 16 Seiten versehen, auf denen Fotos des Klassenbuches und der Abiturientinnen zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens abgebildet sind.


Interpretationsaspekte[Bearbeiten]

„Heute würde man nach den Klassenunterschieden fragen; es gab sie sogar ganz gewiß, aber das trat nirgendwo in Erscheinung.“ (S. 12) Mit diesen Worten beschreibt die Autorin die Klassengemeinschaft des Mädchengymnasiums. Die Berufe der Väter der ehemaligen Schülerinnen sind sehr unterschiedlich (Offiziere, Pfarrer, Großkaufleute, Schuldirektoren, leitende Beamte), dennoch ist zu berücksichtigen, dass die im Roman geschilderte Erlebniswelt die einer gebildeten Schicht darstellt. Alle Schülerinnen besuchten das Gymnasium und schlossen dieses (bis auf wenige) mit dem Abitur ab. Es ist also mit Nichten so, dass es keine „Klassenunterschiede“ gab. Vielmehr unterliegt der Erzählradius einer Einengung, die durch die gesellschaftliche Schicht vorgegeben wird. Dieser Sachverhalt muss bei der Bewertung der historischen Erfahrungen berücksichtig werden. Darüber hinaus fällt bei der Lektüre des Briefbandes vor allem eines auf: Keine der ehemaligen Abiturientinnen thematisiert oder kritisiert die radikal antisemitischen, antikommunistischen und antidemokratischen Positionen des Nationalsozialismus. Ihre Einstellung zum nationalsozialistischen Regime offenbart sich ausschließlich anhand unverkennbar positiver Äußerungen. So meldete sich Anna-Maria Mann am 7. April 1938 aus der Führungsebene des Reichsarbeitsdienstes mit folgenden Zeilen zu Wort: „Hoffentlich erlebt ihr alle diese herrliche große Zeit so mit wie wir hier und geht nicht unter in den gewiß lieben und beglückenden, aber doch dem gegenüber kleinen Sorgen um das traute Heim, den zärtlichen Eheliebsten und die gerade zahnenden oder ewig feuchten Kinderchen. [...] Heil Euch Hitler!“ (S. 108) Am 11. Juli 1944 äußerte sich Erika Hausmann mit folgenden Worten:

Ich habe schon Angst vor der Fahrt durch Deutschland. Was haben wir schon beim Herunterfahren an Traurigem gesehen! Zerstörte Städte und überall so viel Elend unter der Bevölkerung. Man muß wirklich glücklich sein, wenn man noch ein heiles Dach überm Kopf hat. Und ich muss mich wundern, wie gut die Betroffenen die Haltung wahren. Sie vertrauen trotz allem auf ein glückliches Ende. Wo soviel Opfer gebracht sind und sicher noch gebracht werden müssen, da kann bei einer höheren Gerechtigkeit der Lohn nicht ausbleiben, zumal wir ja nicht um eine Utopie oder gar aus Machthunger Krieg führen. [...] Mit den besten Wünschen für unser Vaterland und seine gute Sache bin ich in alter Freundschaft und Herzlichkeit / Eure Erika. (S. 141)

Aus heutiger Perspektive wirken diese Worte in einem Maße verstörend, für das es keinen adäquaten Begriff gibt. Aber auch zur damaligen Zeit ist es angesichts der vorangegangenen Reflektion der vorherrschenden Zustände in Deutschland irritierend, dass nach den ersten sechs Sätzen die Überzeugung zum Ausdruck gebracht wird, dass der Krieg nicht „um eine Utopie oder Machthunger“ (S. 141) geführt werde. Kritik wird nur von zwei der fünfzehn Verfasserinnen geäußert. So berichtete Lotte Schuster in ihrem Brief am 10. September 1934 über ihre Erfahrungen aus dem Reichsarbeitsdienst: „Ich habe ein Bild bekommen, wie es um die Schlagworte steht, wie sie zustande kommen, und wie leicht sie aufgenommen werden.“ (S. 85) Am 18. November 1939 wagte Eva einen wehmütigen Blick in die Vergangenheit und schrieb: „Ich sitze nun hier im trüben Deutschland und sehne mich nach der Sonne, dem Meer und der griechischen Freiheit. Aber natürlich ist das unwichtig über dem Großen des Weltgeschehens, selbst wenn es, wie im Augenblick, nur ein großes Negatives ist.“ (S. 125) Neben dem offensichtlich negativ belasteten Ausklang des Satzes, lässt sich auf Basis ihrer akademischen Bildung vermuten, dass auch die Verwendung des Wortes „trüben“ bewusst erfolgte und sie damit subtil auf die verklärte Sichtweise des Volkes mit Blick auf Hitlers Regierung hinweist. Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass die Befürwortung, wie von Anna-Maria oder Erika vorgetragen, in keinem ausgewogenen Verhältnis zur leise geäußerten Kritik von Lotte und Eva steht. Grund dafür ist vermutlich die bestehende Angst vor manifest artikulierter Kritik und ihrer Ahndung durch das nationalsozialistische Regime. Nicht zu vernachlässigen sind auch die elf übrigen Briefschreiberinnen, die sich bezüglich dieser Thematik insgesamt ausschweigen. Ein weiterer Faktor, der im Rahmen der Interpretation dieses historischen Dokumentes berücksichtigt werden muss, ist die zeitliche Nähe der Schriftstücke zu den geschilderten Ereignissen. Wie bereits unter 2.3 erwähnt, erfolgen die Berichte bis zum Jahr 1949 in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Alltag der Frauen. So verfasste Eva in ihrem Brief vom 4. Dezember 1944 folgende Zeilen: Ich sitze am Bett meines Vaters im Katholischen Krankenhaus als Wache; ich muss aufpassen, dass er zugedeckt bleibt, denn seit gestern Nacht haben die Zimmer hier keine Fenster, und es ist doch Winter. Grad eben beginnt man, zusammengestückelte Pappen von außen an die Rahmen zu nageln. Gegen zwei Uhr hatten wir wieder schwere Angriffe, alle Fenster klirrten nach innen. Vaters Bett ist noch immer mit Glassplittern bedeckt, die ich allmählich absammle, denn vom Krankenhauspersonal hat niemand Zeit. (S. 147)

Evas Schilderung erfolgte aus dem unmittelbaren Ereignis heraus. Im Kontrast dazu steht ihr Brief vom 10. April 1959: Und nun muß ich so kurz wie möglich auch über unsere letzten zehn Jahre berichten. – Wir sind vor zehn Jahren hier nach Hamburg gekommen; unter ziemlich abenteuerlichen Umständen haben wir nach mancherlei fehlgeschlagenen illegalen Versuchen [...] den Osten mit einer Umsiedlungserlaubnis verlassen. (S. 192)

Nach der neunjährigen, bis zum Jahr 1958 andauernden Unterbrechung, ist dieses nicht mehr der Fall. Von nun an enthalten die Briefe eine Rückschau. Sie sind somit nicht mehr als spontane Reaktion auf Erlebnisse zu deuten. Bei ihrer Rezeption muss beachtet werden, dass Erinnerungen an Präzision verlieren, stark subjektiv geprägt sind oder eventuell einem gesellschaftlich vertretbaren Meinungsbild angeglichen wurden. Einer dezidierten Betrachtung würdig erweisen sich auch die Ausführungen der Briefschreiberinnen mit Blick auf den Reichsarbeitsdienst. Vor allem weil hier völlig konträre Positionen der ehemaligen Schülerinnen der Königin-Luise-Schule sichtbar werden, die mitunter auch auf die Einstellung zum Nationalsozialismus insgesamt hindeuten. Anna-Maria, die ihre Ausbildung in kirchlicher Obhut unfreiwillig beenden musste, meldete sich freiwillig zum Arbeitsdienst und übernahm eine führende Position (vgl. S. 104 ff.). Lotte, die ebenfalls der diakonischen Leitung entfloh, fand zunächst ihre Aufgabe in einem Pflegeheim. Als dort aber die finanziellen Mittel drastisch gekürzt wurden, fügte auch sie sich in den Arbeitsdienst. Im Gegensatz zu Anna-Maria reflektiert sie aber durchaus mit einem kritischen Blick auf die dort vorherrschenden Umstände (wie bereits erwähnt). Dabei fand Lotte deutliche Worte für die von ihr empfundene Leere hinsichtlich nationalsozialistischer Leitgedanken (vgl. S. 84 f.). Paulines Weg in den Reichsarbeitsdienst war wiederum ein anderer. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern, stellte ihr Mann, der aktiv im Militär agierte, ihren Lebensmittelpunkt dar. Um ihr Dasein in seiner kriegsbedingten Abwesenheit mit einer Aufgabe zu füllen, die zugleich die Verbindung zu ihm stärkte, meldete sie sich als Führeranwärterin (vgl. S. 150 ff.). Mit Blick auf die Nachkriegszeit ist erneut zu berücksichtigen, dass der Kreis der Abiturientinnen einer durchaus privilegierten Gesellschaftsschicht angehörte. So enthalten die Berichte aus der Zeit nach 1945 kaum Hinweise auf Engpässe in der Lebensmittelversorgung. Deutlich zu entnehmen sind aber auftretende Probleme im Zusammenhang mit der allgegenwärtigen Wohnungsnot. Die Abiturientinnen, deren Wohnungen sich überwiegend im eigenen Besitz befanden, waren gezwungen, Einquartierungen zu akzeptieren. So berichtete Erika am 19. Januar 1959: „Wir bekamen ganz schreckliche Menschen in unser beschlagnahmtes Zimmer. [...] Sie haben uns sieben Jahre lang das Leben mehr als schwer gemacht“. (S. 188) Im selben Jahr schrieb Ursel: „Die Wohnung blieb gleich beschlagnahmt. Das war eine schlimme Zeit. Denn mit meinem Buben wollten acht Personen – lauter ausgebombte Verwandte und Kleinkinder – mit dem Nötigsten versorgt werden.“ (S. 199) Darüber hinaus wird deutlich, welcher Stellenwert intakten familiären Verhältnissen in derartigen Krisensituationen beizumessen ist. Diese These findet in besonderem Maße in Käthchens Suizid Bestätigung (vgl. S. 228 f.). Aber auch Katharinas Leben, das sie gänzlich der Medizin widmete, fand ein unglückliches Ende. In ihrem Brief vom 17. Mai 1961 schrieb Anna-Maria über Katharina: „Von Katharina werden wir leider so schnell nichts wieder hören. [...] sie ist seit einiger Zeit gemütskrank“ (S. 209). Auch Hertha, die ihr Leben ohne Mann und Kinder bestritt, stirbt einen einsamen selbstgewählten Tod. Im Jahre 1967 wurde sie „in dem von ihr gemieteten Haus tot aufgefunden“ (S. 237). „Die Frage nach den Ursachen dieses so plötzlichen Selbstmords ist nie beantwortet worden – sie hatte keine Zeile hinterlassen.“ (S. 237)


Rezensionen[Bearbeiten]

„Das ,Klassenbuch’, mittlerweile ein dickleibiges Konvolut, mußte oftmals durch den Eisernen Vorhang geschmuggelt werden und mehrfach Mittelmeer und Atlantik überqueren. Es bündelt nicht nur die Geschichte von fünfzehn deutschen Frauen des Jahrgangs 1914, es ist auch zu einem lebendigen Stück Zeitgeschichte geworden.“ (i)

„Fünfzehn Frauen aus Erfurt führten seit ihrem Abitur im Jahre 1932 ein Tagebuch, in das reihum jede von ihnen Erlebnisse und Gedanken über ihr Leben schreibt. Dieses ,Klassenbuchʻ führt aus zeitgenössischer Perspektive durch die Kriegs- und die Nachkriegszeit des geteilten Deutschlands bis ins Jahr 1976 und schildert die sehr privaten, aber gleichzeitig auch typischen Frauenschicksale - ein einmaliges Zeitdokument.“ (ii)


Ausgaben[Bearbeiten]

Jantzen Eva und Merith Niehuss: Das Klassenbuch. Chronik einer Frauengeneration 1932-1976. Weimar/Köln/Wien: Böhlau Verlag 1994.

Jantzen Eva und Merith Niehuss: Das Klassenbuch. Geschichte einer Frauengeneration. Reinbek bei Hamburg: Rohwolt Taschenbuch Verlag 1997.

Jantzen Eva und Merith Niehuss: Das Klassenbuch. Chronik einer Frauengeneration 1932-1976. Weimar/Köln/Wien: Böhlau Verlag 2014. ISBN 978-3412120931


Weblinks[Bearbeiten]

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-der-vorgesehene-wandervogel-11318684.html

http://www.lovelybooks.de/autor/Eva-Jantzen/Das-Klassenbuch-143430660-w/


Einzelnachweise[Bearbeiten]

(i) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-der-vorgesehene-wandervogel-11318684.html (Abruf 22.12.2015, 11:32 Uhr)

(ii) http://www.lovelybooks.de/autor/Eva-Jantzen/Das-Klassenbuch-143430660-w/



Shari Krüger, Universität Paderborn