Die Honigmonathe

Aus briefromane
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Der im Jahre 1802 zunächst anonym erschienene Briefroman „Die Honigmonathe“ von Caroline Auguste Fischer erzählt die Geschichte einer unglücklichen Ehe, die die tugendhafte Julie mit dem wesentlich älteren Obristen Olivier eingeht. Die Handlung ist aufgeteilt in zwei Teile und thematisiert die Frage nach weiblicher Selbstfindung vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Geschlechterdiskussion und den sozialen Bedingungen weiblicher Existenz in der bürgerlich-patriarchalen Gesellschaft (1). Beide Teile umfassen mehrere Briefwechsel zwischen der jungen Julie, ihrer Freundin Wilhelmine, dem Obristen Olivier und dessen Freund Reinhold. (2)


Inhalt und Figurenkonstellation[Bearbeiten]

Teil 1

Ausgangslage des Briefromans und somit der Beginn des ersten Teils ist eine Warnung Wilhelmines an Julie, sie solle sich vor Oliviers versteckter Eitelkeit in Acht nehmen und den Heiratswünschen ihrer Mutter entgegensetzen. Während die kindliche Julie der Meinung ist, dass die Natur besage, jede Frau brauche einen Mann als Stütze und Schutz an ihrer Seite, vergleicht ihre Freundin die Verbindung mit einem Mann mit der „Sklaverei“. (Vgl. S.6)

Der Obrist Olivier berichtet seinem Freund Reinhold von seiner neuen Freundin (gemeint ist Julie) und äußert seine Befürchtungen gegenüber ihrem Kontakt mit einer revolutionären Frau (Wilhelmine). Er beschuldigt die neue Strömung der Aufklärung für die „Gefahr“ der denkenden Frau. Reinhold übt starke Kritik an der Meinung seines Freundes und bemitleidet die „armen Weiber“ (S. 9), die sich dem männlichen Egoismus unterordnen müssen. Reinhold war acht Jahre auf Reisen und Olivier sieht dieses als Grund für seine „Modekrankheit“ (S.10), auf der Seite der Frauen zu stehen. Er lechzt nach Krieg.

Olivier erzählt Reinhold aufgeregt von dem positiven Einfluss, den die Güte von Julie auf ihn hat. Sie lasse ihn den Gedanken an reine Nützlichkeit vergessen. Reinhold glaubt nicht an diese krasse Änderung in Oliviers Einstellung gegenüber Frauen. Er ist der Meinung, sein Freund kenne sich selbst nicht richtig und bezeichnet ihn als „schändlichen Egoist, der wie ein gieriges Raubthier nach Beute hascht, und alles zerfleischt was sich ihm widersetzt“ (S.12).

Wilhelmine bedauert stark, dass Julie sich verliebt zu haben scheint. Sie glaubt nicht daran, dass Olivier wirklich fähig ist zu lieben. Männer würden nur das Fremde begehren und bestaunen und würden die weiblichen Merkmale, wie Kindersinn und Sanftmut, als Dummheit und sklavische Furcht ansehen (Vgl. S.14).

Reinhold besucht auf Wunsch Oliviers die „gefährliche“ Wilhelmine und ist von ihren modernen Einstellungen und Gedanken verzaubert (Vgl. S.15f).

Der Leser erfährt durch einen Brief, dass Julies Mutter seit ihrem zwölften Lebensjahr die Heirat zwischen ihrer Tochter und Olivier geplant hat. Er habe sie jedoch bis zu diesem Zeitpunkt immer nur als Kind gesehen. Nun sieht er sie richtig und er versteht sich selbst und seine starken Gefühle zu ihr nicht mehr. Ein Streitgespräch entwickelt sich zwischen Olivier und Reinhold, denn letzterer fürchtet um Julie: „Du bist Juliens Vormund; nicht ihr Tyrann“ (S.19). Ihr Briefwechsel endet mit Oliviers Rachedrohung, Julie zu heiraten und somit komplette Macht über sie zu besitzen, sodass Reinhold keinen Einfluss mehr hat.

Die Handlung entwickelt sich zu einem Höhepunkt, als Wilhelmine in einem Brief an ihre Mutter davon berichtet, wie sie selbst, Julie und Reinhold am Krankenbett von Julies Mutter aufeinander treffen. Wilhelmine möchte die sensible und vor Unklarheit und Mitleid kranke Julie mit sich nehmen. Nur durch eine Lüge schaffen es die beiden vor Julies Verlobung und Olivier zu fliehen, der die Abreise verweigert (Vgl. S.20f).

Der nach Rache lechzende und vor Sehnsucht kranke, leidende Olivier befindet sich nun bei Reinhold, welcher ihm den Aufenthaltsort der beiden Frauen nicht verrät. Er versucht sie zu beschützen und berichtet durch Briefe an Wilhelmine von den neuesten Begebenheiten (Vgl. S.22f).

Olivier irrt umher wie ein Verbannter und schreibt Reinhold, dass er fürchte, der König würde ihn wieder auf einen Feldzug schicken, ohne seine Liebe Julie vorher noch einmal gesehen zu haben. Reinhold erfährt von seinem Freund, dass der König und er selbst zu einem Ort namens P…. kommen werden. Dies ist derselbe Ort, an dem sich auch Julie und Wilhelmine verstecken. Eine Warnung Reinholds erreicht sie zu spät, sie sind entdeckt (Vgl. S.23-29).

Wilhelmine erzählt dem König in einer Befragung alles über Julies Geschichte. Olivier befürchtet in großer Eifersucht, dass der König Gefallen an Julie finden könnte. Er will nur wieder in die Schlacht ziehen, wenn Julie ihn vorher heiratet. Während Wilhelmine in Olivier immer noch einen „Wolf“ erkennt, der ein „Lamm“ reißen möchte (Vgl. S.35), ist Julie immer mehr von dem Mann verzaubert.

Wilhelmine berichtet von einem jungen hübschen Sizilianer (Antonelli), der seit kurzer Zeit am selben Ort ist. Es stellt sich heraus, dass es der Sohn eines Mannes ist, der in einer Schlacht an der Seite Oliviers starb. Olivier sieht ihn gleichzeitig als seinen „Sohn“ an, fürchtet aber wieder eifersüchtig um Julie (Vgl. S.36).

Nachdem Olivier nach einem Eifersuchtsanfall vom Pferd gestürzt ist, kümmert sich Antonelli rührend um ihn und Julie bindet sich an ihn durch das Versprechen, dass sie ihn „achte“ und sie nie einem anderen gehören werde. Wilhelmine ist daraufhin bestürzt und hat keine Hoffnung mehr auf eine Rettung ihrer Freundin. Sie will Julie verlassen. Reinhold beruhigt sie (Vgl. S.36-46).

Olivier ist nun mit Antonelli, der unter ihm dient, in die Schlacht gezogen. Bevor er gegen den Feind zieht, dankt er Julie für seine Selbstfindung. Sie siegen; Olivier ist aber stark verletzt. Da Reinhold sich nicht um seinen Freund kümmern kann, bittet er Julie. Diese nimmt schließlich Oliviers Hand an. Wilhelmine erkennt, dass Julie ihn wirklich liebt und will fort in die Schweiz reisen (Vgl. S.46-58).

Teil 2

Olivier erholt sich von seinen Wunden und suhlt sich in seinem Sieg in der Schlacht und im Kampf um Julie. Wilhelmine versucht weiterhin in Briefen Julie zu überreden, dass sich das „Opferthier“ (S.61) gegen die Natur und ewige Sklaverei wehren darf.

Nachdem der Siegesrausch nachgelassen hat, sieht sich Olivier mit fehlender Sinnlichkeit in der Beziehung mit Julie konfrontiert. Er nimmt an, dass Julie ihre Leidenschaft auf Antonelli wendet und als er eine Liebeserklärung des anderen Mannes mitbekommt, sieht er nur noch eine Möglichkeit um seine Ehre zu retten: Er schickt Antonelli fort und sperrt Julie ein, sie darf nicht mehr in die Nähe anderer Männer kommen. Reinhold appelliert daraufhin an Oliviers Vernunft (Vgl. S.62-67).

Antonelli kehrt in der Verkleidung eines Gärtnersohnes wieder. Als Olivier ihn entdeckt, kann er ihn nicht fortschicken. Seine Gedanken sind gespalten zwischen Mitleid und Eigennutz. Er sieht ein, dass er Julie nicht mehr länger im Haus eingesperrt lassen kann, sonst werde sie krank (Vgl. S.69-71).

Julie schreibt nach einer langen Zeit wieder an Wilhelmine. Sie berichtet davon, wie sehr sie Oliviers Herz bewundert und, dass sie die Gefangenschaft ihrem Mann schuldig war. Weiterhin schreibt sie, dass sie glücklich sei und erklärt ihre Meinung (Vgl. S.74f).

Olivier erfährt währenddessen, dass Antonelli weder ohne ihn, noch ohne Julie leben kann. Er liebt Olivier und verehrt Julie. Letztere berichtet ihrer Freundin von ihrer sich entwickelnden kränklichen Sehnsucht nach draußen und nach der Anhöhe vor dem Haus. Sie glaubt, sie verliert ihren Verstand (Vgl. S.82f).

Olivier fürchtet einen Besuch des Königs. Er vermutet eine Falle: „Entweder sie wollen [ihn] los seyn […]. Oder der König hat gerade Langeweile“ (S.84) und möchte Julie wieder bei sich haben. Olivier möchte sie zum Schutz wegschicken und fragt, wo sie hinmöchte. Als Julie antwortet, sie wolle in das Häuschen auf der Anhöhe, verfällt Olivier in große Wut, denn es handelt sich um Antonellis momentanen Aufenthaltsort. Unbewusst scheinen Antonelli und Julie ihre gegenseitige Anwesenheit zu spüren (Vgl. S.86-88).

Die Handlung steigert sich erneut, als Olivier nicht auf Reinholds Rat hört und Julie in ein kleines menschenleeres Gut schickt, dass durch einen Graben mit einer Zugbrücke geschützt wird. Julie ist damit einverstanden und zunächst glücklich über den ruhigen Frieden, den sie dort findet. Währenddessen befindet sich Wilhelmine in der Schweiz. Sie plant nach Italien zu Antonellis Mutter zu reisen, um dort von italienischer Lebenslust umgeben zu sein (Vgl. S.89f).

Mittlerweile ist der König mit Gefolge bei Olivier angekommen und Antonelli ist verschwunden. Er befürchtet, dass der junge Nebenbuhler seine Frau finden wird (Vgl. S.99f).

Langsam fühlt sich Julie unwohl in ihrer von Mitmenschen abgeschnittenen Position. Niemand schreibt ihr und sie befürchtet, dass ihre Briefe unterdrückt werden. Sie schreibt Wilhelmine von einem fremden, elenden Mann, dem sie ein Nachtlager gegeben haben. Sie will sich diesem Fremden anvertrauen und ihn bitten ihre Briefe zu überbringen (Vgl. S.102f).

Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Fremden um Antonelli handelt, der sie gefunden hat. Julie fürchtet die Rache ihres Mannes und sieht sich selbst als „verloren“ (S.105).

In dem letzten Brief des Werkes schreibt Olivier an Reinhold, dass er Antonelli getötet hat, weil er sein Eigentum raubte. Er möchte Reinhold noch einmal sehen, bevor er mit dem König in die Schlacht zieht (Vgl. S.105).

In einem kurzen Anhang wird berichtet, dass Olivier in die Schlacht ging und durch eine Kugel starb. Sein Tod wird als eine Erlösung von seinem unglücklichen Leben beschrieben. Wilhelmine und Reinhold haben Julie befreit und die junge revolutionäre Frau heiratet einen edlen jungen Landmann. Reinhold bleibt allein, und Julie kann ebenfalls keine zweite Verbindung mehr eingehen. Jedoch scheint sie glücklich in die Zukunft zu blicken (Vgl. S.105).


Form des Romans[Bearbeiten]

Bei Fischers Werk handelt es sich um einen Briefroman, der insgesamt aus 122 Briefen besteht. Er ist aufgeteilt in zwei Teile, wobei der erste 67 und der zweite 55 Briefe enthält. Der Roman wird in polyphoner, dialogischer Erzählweise dargestellt. Die Briefwechsel entstehen hauptsächlich zwischen den vier Protagonisten Julie, Wilhelmine, Olivier und Reinhold. Vereinzelnd schreibt Wilhelmine auch an ihre Mutter und der Absender zweier Briefe ist der Adjutant des Generals Olivier, Harrison. Der Briefroman beginnt mit einem Brief, schließt jedoch mit einem kurzen erläuternden Anhang, in dem ein auktorialer Erzähler vom weiteren Leben der Protagonisten berichtet. Hier wird zum Ende die durchgehende Ich-Perspektive der personalen Ich-Erzähler unterbrochen. Alle Briefe sind nummeriert und Absender und Adressat sind in einer Überschrift kenntlich gemacht, z.B.: „Wilhelmine an Julie“. Anrede und Schlussfloskel fehlen, sodass der Leser auf diese Angabe angewiesen ist. Weiterhin ist kein Datum angegeben. Eine zeitliche Einordnung ist somit nicht möglich. Auch Orte werden nur durch den Anfangsbuchstaben genannt (z.B.: P…).


Interpretationsaspekte[Bearbeiten]

1) Der Roman thematisiert die Frage nach weiblicher Selbstfindung vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Geschlechterdiskussion. „Pointiert kontrastiert [Caroline Auguste Fischer] in ihrem Roman männliche und weibliche Lebensräume“ (1). Ende des 18. Jahrhunderts und auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war eine klare Eingrenzung der Frau in ihre Sphäre vorgegeben. Während die Frauen unter der Herrschaft der Männer standen, war die Entfaltung einer eigenständigen weiblichen Persönlichkeit nahezu unmöglich. Begrenzte geistliche Bildung und fehlende Aufklärung, die ausschließlich den Männern zustand, erschwerte die Selbstfindung und vereinfachte die Entscheidung für den Weg der Anpassung an die gesellschaftlichen Erwartungen und Definition einer Frau. Danach führte der Weg zur Selbstfindung nur über einen Mann an ihrer Seite, der ihr die nötige Unterstützung geben konnte und durch die Erfahrungen in der Ehe ihre Weiblichkeitsentwicklung ermöglichte. Diese „Erfahrungen“ und Leistungen waren auf das Private und Häusliche minimiert, was die Führung des Haushaltes, die Kindererziehung, Kinderpflege und Unterstützung des Mannes beinhaltete. Die Frau stand im Zentrum der Tugend und Moral und Emotionalität und Mitmenschlichkeit zeichneten ihre Weiblichkeit aus (3). Insbesondere an der Figur Julie zeigt sich diese zeitgenössische Identität der Frau. Sie folgt dem gesellschaftlichen Bild, auch wenn sie die Ungerechtigkeit erkennt, und meint sich selbst und ihre Weiblichkeit nur durch einen Mann an ihrer Seite zu finden. So versuch sie ihrer Freundin Wilhelmine ihre Ansicht zu erklären: „Bedarfst Du keiner Stütze, keines Schutzes? Bedarfst du nicht der Mutterfreuden […] um ganz gebildet zu werden? Bedarfst du nicht der Härte, der Ungerechtigkeit eines gröber gebildeten Wesens, um Deine ganze Weiblichkeit kennen zu lernen?" (S.5). Durch ihre Unterordnung hat Olivier die komplette Macht über sie und kann sie in ihrer Sphäre festhalten. Julie ist gefangen, was die Autorin auch durch das tatsächliche „Wegsperren“ Julies, veranlasst durch Oliviers Eifersucht, darstellt. Im Kontrast zu Julies Einordnung steht jedoch Wilhelmines starker revolutionärer Charakter, der im nächsten Punkt betrachtet wird.

2) Caroline Auguste Fischer äußert in ihrem Roman, durch die Worte ihrer Charaktere Wilhelmine und Reinhold, starke Kritik an den gegebenen Geschlechterverhältnissen. Wilhelmine ist im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Anforderungen an eine Frau, sehr selbständig und unabhängig vom männlichen Geschlecht. Sie trifft, zum Unwohl ihrer Eltern, die eigenständige Entscheidung niemals heiraten zu wollen und sich keinem Mann unterzuordnen und sich somit der „Sklaverei“, wie sie es nennt, auszusetzen. Weiterhin versucht sie alles, um ihre Freundin vor einer Ehe zu bewahren und zeigt dabei großen Mut und aktives Handeln. Sie hat, gegen alle Erwartungen an sie und im Gegensatz zu Julie, einen eigenständigen starken Charakter, den sie frei und ohne Angst auslebt, und sie wagt es, die bestehenden Regelungen zu hinterfragen und zu kritisieren. Wilhelmine erschafft sich ihr eigenes weibliches Idealbild. Ihre revolutionären Gedanken betrachtet die Autorin aus den Augen Oliviers als negativ. Hiermit zeigt sie die Fähigkeit sich in die männliche Rolle zu versetzen und erläutert die zeitgenössische Angst vor emanzipierten und „selbstdenkenden“ Frauen. Allerdings äußert sie weiterhin auch Kritik an dieser Angst des männlichen Geschlechts von den Frauen „übertrumpft“ zu werden. Hierzu benutzt sie Oliviers Freund Reinhold als Sprachrohr. Dieser ist wie Wilhelmine aufgeklärter als Olivier und Julie. Er versucht die unterdrückte Rolle der Frauen zu verstehen und fordert Veränderung und mehr Freiheit für sie, ohne Angst vor ihrer Macht zu verspüren. Reinhold selbst bezeichnet den Mann als „Egoisten“ und Olivier als „Lobredner alter Zeiten“ (S.12). Das zeigt er unter anderem auch in seiner Bewunderung von Wilhelmines starkem Charakter. Männer wie Reinhold, die den Frauen mehr zutrauten und sie verteidigten, wurden jedoch oft verspottet. Olivier bezeichnet es als „Modekrankheit“ (S.10) auf Seiten der Frau zu stehen, und zu dieser Zeit schrieben es große Leute, wie Kant und Fichte, vor, Menschen wie Reinhold zu kritisieren: „Nur einige verirrte Köpfe unter den Männern, welche größtenteils selbst kein einzelnes Weib gewürdigt haben, es zur Gefährtin ihres Lebens zu machen, und zum Ersatz dafür das ganze Geschlecht, in Bausch und Bogen, in der Geschichte verewigt sehen möchten, haben sie beredet, dergleichen wunderbare Worte hervorzubringen, bei denen sie nichts denken können, ohne sich zu verunehren” (4). Letztendlich zeigt Fischers Werk zusätzlich zur Kritik auch einen Aufklärungsglauben und Emanzipationslust.

3) Im Roman wird weiterhin auch der Konflikt zwischen Konvenienzehe und einer unerlaubten Leidenschaft angesprochen. Julies Eltern planen seitdem sie acht Jahre alt ist eine „standesgemäße“ Vermählung mit dem Obristen Olivier. Die Ehe muss nicht auf gegenseitigen Gefühlen beruhen, soll aber die soziale und finanzielle Zukunft ihrer Tochter sichern. Diese Ehevorstellungen waren in dieser Zeit nicht untypisch, sondern Teil der Gesellschaft. Oliviers und Julies Beziehung zueinander beruht jedoch nicht auf derselben Basis. Während Olivier das Idealbild von ihrer Güte und Unschuld blind „vergöttert“, achtet und bewundert sie ihren Mann bis zur Aufopferung. Ihre Ehe ist zum Scheitern verurteilt, denn während sie zunächst zufrieden mit der Ehe ist, kommt Olivier durch seine ständige Eifersucht und Besitzgier nie zur Ruhe. Fischer zeigt in ihrem Roman, dass eine Konvenienzehe nicht die ideale Bindung darstellt. Obwohl Julie sich in allen Punkten anpasst und wie gefordert ihren Mann in allem unterstützt, kann sie ihre Gefühle nicht unterdrücken. Sie empfindet eine Leidenschaft zu einem anderen Mann, dem jüngeren Antonelli. Dieser verbotenen wahren Empfindung von Gefühl wird in „Die Honigmonathe“ im Gegensatz zur kalten und geregelten Konvenienzehe eine große Macht zugesprochen. So können die beiden Liebenden ihre Gegenwart gegenseitig „spüren“, und Antonelli begibt sich in große Gefahr um bei seiner großen Liebe zu sein. Den beiden ist es jedoch nicht möglich zusammen zu sein. Das weiß auch Julie, sodass sie am Ende der Geschichte fast krank vor Angst wird. Die Autorin zeigt als einzige mögliche Konfliktlösung zwischen der Ehe und der Leidenschaft den Tod beider Männer. Julie konnte weder in der Ehe mit Olivier glücklich werden, noch war es ihr möglich eine Zukunft mit Antonelli zu führen. Am Ende bleibt sie ohne Mann und schaut positiv in die Zukunft.

4) Es lassen sich einige interessante Parallelen zwischen Caroline Auguste Fischers Roman und Sophie Mereaus Roman „Amanda und Eduard“ (5) finden, welcher nur ein Jahr später veröffentlicht wurde. Sowohl Fischers Julie als auch Mereaus Amanda stellen die zeitgenössischen Attribute einer Frau dar. Beide repräsentieren Harmonie, Schönheit, Güte und Natürlichkeit und ordnen sich der männlichen Herrschaft unter. Beide Frauen werden von ihrem Ehemann tyrannisiert und haben neben ihm noch eine andere Liebe. Amanda traut sich jedoch im Gegensatz zu Julie ihren Gefühlen und Trieben zu folgen und nutzt dafür die außereheliche Liebe. Weiterhin belächelt sie die Ehe und das typische Leben als „Hausfrau“. Der Charakter von Albret zeigt mehrere Parallelen zu Olivier. Beide unterstützen die Macht des Mannes und die Unterordnung der Frau. Sie fühlen einen großen Besitzanspruch und fürchten den Kontrollverlust durch die Frau.

5) Der Roman „Die Honigmonathe“ bezieht sich in mehreren Szenen eindeutig auf Immanuel Kants Definition der Weiblichkeit in „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“ (6), und diskutiert die Frage nach der Natur dieser Ansichten. Nach Kant gehört die Frau zum „schönen“ und der Mann zum „edlen“ oder „erhabenen“ Geschlecht:

"Das schöne Geschlecht hat eben so wohl Verstand als das männliche, nur es ist ein schöner Verstand, der unsrige soll ein tiefer Verstand sein, welches ein Ausdruck ist, der einerlei mit dem Erhabenen bedeutet. […] Mühsames Lernen oder peinliches Grübeln, wenn es gleich ein Frauenzimmer darin hoch bringen sollte, vertilgen die Vorzüge, die ihrem Geschlechte eigenthümlich sind" (6).

Der schöne Verstand solle demnach alle abstrakten und ernsten Studien der Wissenschaften und Politik dem „emsigen, gründlichen und tiefen Verstande“ überlassen und das Böse vermeiden, „nicht weil es unrecht, sondern weil es häßlich ist“. Die Aufgabe der Frau sei es, sich währenddessen um den Haushalt und die Kinder zu kümmern und dem Manne nach seinem anstrengenden Arbeitstag unterwürfig zur Seite zu stehen und ihn mit Heiterkeit und Sanftmut aufzumuntern. Weiterhin stütze sich die Frau auf das „Recht der Schwächeren“, das einen Schutz vom Mann gegen andere Männer beschreibt. Die Pflicht des Weibes liege zum einen darin die eigene Art zu erhalten und repräsentative Zwecke zu erfüllen. In einem gemeinsamen Briefwechsel betrachten Julie und Wilhelmine dieses konstruierte Bild der Weiblichkeit. Julie sagt, dass wenn die Schönheit verwelkt ist, somit auch die Weiblichkeit gestorben sei. Sie gründet, wie Kant, ihre Meinung auf das scheinbare Naturrecht. So läge es in der Natur der Gesetze, sich dem Mann unterzuordnen und sich nicht zu wehren. Sie beschreibt als letztendliches Lebensziel das „Einssein“ (S.25) mit seinem Partner. Frauen dürften nicht klagen und fordern, sonst werde der Mann ein Tyrann und die Schönheit der Frau vergehe. Weiterhin glaubt sie, wie Kant auch, dass Frauen von Anfang an, an Verstand und Willen über dem Mann erhaben sind, sie müssten Tugenden und Moral nicht wie der Mann erst erlernen (Vgl. S.77f).

Rezeption[Bearbeiten]

In ihrer Werkbiographie resümiert Clementine Kügler:

„Intensiv, kritisch und provozierend setzte Caroline Auguste Fischer sich mit der zeitgenössischen Geschlechterdichotomie auseinander. Sie kritisierte die Unmündigkeit der Frau und formulierte Alternativen für sie, die noch heute aktuell sind. Sie entwickelte Frauenbilder, die dem zeitgenössischen Weiblichkeitsideal entgegenstehen; die nicht Altruismus, sondern Selbstbewußtsein und Skeptizismus verkörpern. Gleichzeitig verwehrt sie die Identifikation mit diesen Weiblichkeitsentwürfen und läßt sie scheitern.“ (7)


Ausgaben[Bearbeiten]

Fischer, Karoline Auguste Ferdinandine: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig: Johann Friedrich Kühn 1802.

Fischer, Karoline Auguste Ferdinandine: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig: Johann Friedrich Kühn 1802.

Fischer, Caroline Auguste: Die Honigmonathe. 4. Auflage. Holzinger, Berlin 2015.

Fischer, Caroline Auguste: Die Honigmonathe. Von dem Verfasser von Gustavs Verirrungen. Contumax, Berlin 2008.


Literatur[Bearbeiten]

Krug, Michaela: Auf der Suche nach dem eigenen Raum: Topographien des Weiblichen im Roman von Autorinnen um 1800. Königshausen u. Neumann, Würzburg 2004.

Fischer, Caroline Auguste, Die Honigmonathe. 4. Auflage. Holzinger, Berlin 2015.

Fichte, Johann Gottlieb: Grundlage des Naturrechts. Nach Prinzipen der Wissenschaftslehre. Felix Meiner, Hamburg 1960.

Mereau, Sophie: Amanda und Eduard: ein Roman in Briefen. Kore, Freiburg 1993.

Auszug aus Kants „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“ (1764)


Weblinks[Bearbeiten]

Hilmes, Carola: Namenlos. Über die Verfasserin von „Gustavs Verirrungen“ (1801): (http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/fischer/hilmes_namenlos.pdf)


Einzelnachweise[Bearbeiten]

(1) Topographien des Weiblichen im Roman von Autorinnen um 1800, S.281

(2) Der Roman wird im fortlaufenden Text unter Angabe der Seitenzahl zitiert nach: Fischer, Caroline Auguste, Die Honigmonathe. 4. Auflage. Holzinger, Berlin 2015.

(3) Vgl. Fichte: Grundlage des Naturrechts

(4) Ebd., S.351

(5) Mereau Sophie: Amanda und Eduard

(6) Kant: „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenene“, Dritter Abschnitt

(7) Hilmes, Carola: Über die Verfasserin von „Gustavs Verirrungen“


Carolin Willeke, Universität Paderborn