Margarethe

Aus briefromane
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Als letzter Roman von Caroline Auguste Fischer erschien 1812 „Margarethe“. Der Briefroman erscheint anonym in Heidelberg, dem damaligen Wohnort der Autorin. Er umfasst Briefe von Stephani und Gretchen an ihre Verwandten. Dementsprechend ist der Roman nicht dialogisch, sondern mehrperspektivisch aufgebaut.

Inhalt und Figurenkonstellation[Bearbeiten]

Stephani ist ein junger Maler, welcher im Hause des Präsidenten, Bernhard, und seiner Frau, Mathilde, eingetroffen ist, um in Auftrag gegebene Gemälde anzufertigen. Das Paar hat neun Kinder, die interessiert sind am Künstler und ihn als „großen Bruder“ aufnehmen (S. 3). Margarethe wurde von ihrer Mutter zu ihrem Vetter geschickt. Dessen Frau wurde von der Präsidentin darum gebeten, Hemden für Stephani zu nähen. Margarethe wird im gesamten Roman Gretchen genannt.

Im Schauspiel sieht Stephani die Tänzerin Rosamunde und verliebt sich in ihre Schönheit. Ein Graf, „ein erbärmlicher Mensch“ (S.4), bittet ihn darum, Rosamunde zu portraitieren. Das Präsidenten-Ehepaar ist über die Verbindung nicht glücklich und versucht, Stephani zu warnen, doch er ist von seiner Schwärmerei für Rosamunde nicht abzubringen. Nachdem er das Gemälde fertig gestellt hat, wird Stephani zum Fürsten gerufen - „Welch ein liebenswürdiger Mensch! Welch ein wahrhafter Adel in allen Bewegungen! welch ein schönes, tiefes Zartgefühl für die Kunst!“ (S. 9). Die beiden werden Freunde, doch auch er warnt Stephani vor den Folgen seiner Gefühle für Rosamunde. Rosamunde weist Stephani zurück. Sie zweifelt an der Aufrichtigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Liebe, da er als Mann und Künstler unbeständig sei. Seine Liebe sei an ihre jugendliche Schönheit gebunden und daher ebenso vergänglich. Daraufhin bricht Stephani zusammen und wird auf seinem Lager von Gretchen gepflegt. Jedoch nimmt er sie in einem wachen Moment wahr und hält sie für eine Erscheinung als „göttliches Kind“ (S. 16).

Gretchen näht in die Hemden für Stephani, weil er so krank ist, schöne Verse aus ihrem Liederbuch. Der Fürst bittet sie darum, dies auch für ihn zu machen, und so wird sie zu ihm in den Palast geschickt. Daraufhin bittet der Fürst sie, ihn täglich morgens für ein paar Augenblicke zu besuchen, denn „ein solches Gesicht, wie das deinige, kann mir den ganzen Tag erheitern“ (S. 23). Sie sprechen dabei auch über Stephani und Rosamunde. Gretchen erklärt, ihre Bereitschaft, Stephani aus seiner Wehmut und seinem Leiden zu befreien. Sie sagt, helfe ihm und sie wolle ihr ganzes Leben dafür dienen und arbeiten, dass ihr das Blut aus den Händen spritze (S. 35). Der Fürst verliebt sich allmählich in Gretchen und reagiert empfindlich und bitter, wenn Gretchen so von Stephani spricht. Nachdem Stephani wieder genesen ist, besuchen er und der Fürst Rosamunde. Der Fürst geht im Streit, denn er fürchtet, dass sie Stephani mit ihrer Ablehnung verletzt. Stephani zweifelt daran, dass Rosamunde weiß, was Liebe ist, woraufhin diese ihm verspricht, ihre Lebensgeschichte zu berichten. Dadurch soll er überzeugt werden, dass sie die Liebe kennt. Rosamunde zieht mit ihrer Schwester und deren frisch vermähltem Mann nach Italien. Er ist jedoch nur der Mitgift interessiert und verlässt die Schwestern nachts. Rosamundes Schwester verfällt in tiefe Trauer. Sie selber beginnt auf der Bühne zu arbeiten und erkennt dort ihre Bestimmung und, „daß alles andere Leben kaum den Namen Leben verdiene“ (S. 29f). Ihre Schwester stirbt an dem Liebeskummer und der Zurückweisung. Daraufhin schwört sich Rosamunde, sich nie an einen Mann zu binden.

Am Weihnachtsabend wird Gretchen als Christkind verkleidet, damit die Kinder ein Schauspiel genießen können. Es kommen jedoch auch der Präsident in Begleitung des Fürsten und Stephanis hinzu. Gretchen wird vor Schreck unwohl, und sie schämt sich. Stephani sieht in Gretchen „ein Wunder unvergleichlicher Schönheit, eine Jungfrau im höchsten Sinne des Wortes“ (S. 50). Er merkt, dass er in seinen Gefühlen zu Rosamunde wankt und sie die Vergänglichkeit seiner Gefühle richtig eingeschätzt hatte. Während dieser Unentschlossenheit bekommt er einen Auftrag für das Gemälde einer Madonna in Pisa und entscheidet sich, Gretchen als eben jene zu zeichnen. Er nutzt dafür den großen Saal, welcher verschlossen ist und von niemandem betreten werden darf. Als Stephani in der Tür ein Gespräch führt, läuft das zweijährige Fränzchen (der Sohn des Präsidenten-Ehepaars) in den Saal und erkennt Gretchen auf dem Gemälde. Im Tausch gegen seine Verschwiegenheit lässt Stephani ihn an dem Bild mit malen. Dem Fürsten berichtet Stephani ebenfalls, dass Gretchen auf dem Bild dargestellt sei. Der Fürst konfrontiert Stephani mit seiner Wankelmütigkeit, woraufhin die beiden in Streit auseinander gehen. Rosamunde berichtet einer Freundin, dass Stephani sich von ihr abgewandt habe. Sie schreibt, sie sei wenig berührt davon: „Warum aber klag’ ich nicht? Hab’ kein Herz?“ (S.73).

Gretchen bittet den Fürsten darum, ein Kloster zu erbauen, in dem die Nonnen ausgehen, um Armen und Leidenden zu helfen. Sie selber wünscht dort als einfache Nonne zu arbeiten. Ihrer Mutter berichtet sie, dass sie so dem Schicksal entgehen möchte, sich zwischen den beiden entscheiden zu müssen und dadurch ihre Freundschaft zu zerbrechen. Auch wenn er tief verletzt ist, weil er gehofft hatte, Gretchen ehelichen zu können, gewährt der Fürst ihr diesen Wunsch. Das fertige Gemälde von Gretchen wird zu Ostern in der Kirche das erste Mal gezeigt. Gretchen geht mit der Präsidentin in den Gottesdienst. Sie beobachtet eine verhüllte Frau, welche sich anmutig bewegt und nach vorne auf das Altarbild schaut. Erst in diesem Moment wird auch sie des Bildes gewahr und „hätte vor Scham und Schrecken in die Erde sinken mögen“ (S.94). Die Frau jedoch wird beim Anblick des Bildes bewusstlos und Gretchen eilt herbei und geleitet sie in einer Kutsche nach Hause. Es stellt sich heraus, dass es sich bei der Frau um Rosamunde handelt. Gretchen bleibt bei Rosamunde, welche nur zeitweilig noch bei Bewusstsein ist, bis diese am Ende der Nacht in Gretchens Armen gestorben ist. Stephani will ihren Tod nicht akzeptieren. Während der Beisetzung wirft er sich schützend über den Sarg und versucht sie über Tage hinweg mit der Hilfe verschiedener Ärzte wieder zu beleben. Als dies gescheitert ist, wird Rosamunde schließlich beigesetzt, wobei Stephani jedoch darauf besteht, dass ihm ihr Herz als Zeichen ihrer Liebe überlassen wird. Stephani malt erneut an Rosamundes erstem Portrait. Der Fürst gibt zwei Portraits von Gretchen in Auftrag, darunter ein kleines, welches er mit sich herumtragen können möchte. Der Bau des Klosters geht gut voran, und es haben sich sowohl eine Äbtissin als auch Nonnen schon gefunden. Gretchen bittet ihre Mutter, zu kommen und ihr Alter dort zu verleben. Gretchen nimmt ihre Arbeit im Kloster auf.

Die Liebe von Stephani und dem Fürsten verwandelt sich im Laufe der Zeit „in tiefe Verehrung“ (S.107). Stephani „hatte viele Geliebte, oft mehrere zu gleicher Zeit“ (S. 108). Er stirbt an den Folgen seines Lebenswandels in Gretchens Armen. Der Fürst schließt eine Vernunftehe und verstirbt einige Jahre nach Stephani ebenfalls gepflegt von Gretchen. Diese lebt „bis zum höchsten menschlichen Alter“ (S. 108).

Form des Romans[Bearbeiten]

Der Roman besteht überwiegend aus den Briefen von Gretchen an ihre Mutter, welche sie schreibt, nachdem sie in der neuen Stadt bei ihrem Onkel angekommen ist. Den anderen Teil machen 15 Briefe aus, die Stephani an seine Verwandten schreibt, nachdem er im Hause des Präsidenten angekommen ist. Dadurch entsteht kein Dialog, sondern es werden (teilweise) die gleichen Ereignisse aus zwei Perspektiven wiedergegeben. Der erste Brief ist von Stephani, gefolgt von zwei Briefen von Gretchen. Diese Reihenfolge wiederholt sich noch einmal, danach folgt jeweils ein Brief von beiden im Wechsel. Unterbrochen wird dieses Schema in der zweiten Hälfte des Romans (Brief 22 von 37), wenn Rosamunde einen Brief an eine Freundin schreibt. Aufgelöst wird diese Abfolge am Ende, wenn zweimal einem Brief von Stephani zwei Briefe von Gretchen und abschließend drei Briefe von Gretchen folgen.

Interpretationsaspekte[Bearbeiten]

(1) Romantische Liebesauffassung

Ein Grund für die Zurückweisung Stephanis von Rosamunde ist, dass sie der Dauerhaftigkeit seiner Liebe nicht traut. Diese sei nur gebunden an die Schönheit und die Jugend der Frauen und von daher ebenso vergänglich wie diese. „Daß ewige Schönheit und Jugend eine der unerläßlichsten [Forderungen] ist, wirst du, wo nicht laut, doch im herzen sicherlich bekennen. Von euch [Männern] zugegeben oder geläugnet, bleibt es nicht minder wahr, daß Alter und Häßlichkeit in euern Augen Verbrechen sind, die ihr bestaft, wie und wodurch ihr nur könnt.“ (S.15).


(2) Bild von Ehe als Gefängnis

Rosamundes Ablehnung einer romantischen Beziehung geht mit zwei Motiven einher. Zum einen der Überzeugung von der Ehe als Freiheitsverlust. So sagt Rosamunde zu Stephani: „Es giebt der Arten zu lieben so mancherlei. Soll ich dir sagen, welche du von mir forderst? […] Aufgeben soll ich mein wahren, lebendiges Leben, um ein Scheinleben, einen verkappten Tod mit dir zu versuchen.“ (S. 14). Dieses Bild von der Ehe als Einschränkung weiblicher Freiheit wiederholt sich in Rosamundes Argumentation gegen eine eheliche Bindung. Begründet liegt diese in der Erfahrung, welche ihre Schwester mit der unglücklichen Ehe gemacht hat und der Freiheit und Selbstverwirklichung, welche sie auf der Bühne empfindet. „Mußt ich nicht lächeln, daß Menschen, die ich ihrer Armuth wegen bedauerte, mich bereichern wollten? Daß der gute Graf, der mich so frei sah, wie ein menschlicher Geist es werden konnte, mich durch vornehme Sclaverei zu begücken dachte?“ (S. 30). Krug analysiert, die Bedeutung der Ehe als ein „sozial räumliches Gefängnis“(1) für die Frau. Sie besäße weder die Möglichkeit noch die Vorstellung, sich einen eigenen Raum anzueignen, über den sie ein eigenes Selbstbewusstsein ausbilden und ihre persönlichen Lebensumstände aktiv mitgestalten könne (2). Die Abhängigkeit von Männern und deren Anspruch auf den Besitz von Frauen, welches zeitgenössischen Idealen entspricht, wird auch von dem Fürsten verdeutlicht, wenn er im Gespräch mit Rosamunde äußert: „Wem anders, als dem Manne, gehört die Schönheit der Frau?“ (S. 42).


(3) Weibliche Unabhängigkeit

Auch Gretchen strebt in ihrem Wunsch nach einem Kloster, in welchem sie Leidenden und Armen helfen kann, nach einem selbstbestimmten, von Männern unabhängigen Leben. Sie bildet eine Einheit mit ihrer Umwelt und bedarf keines männlichen Gegenübers (3). Diese Einheit ist auch in der beschriebenen Sterbe-Szene zu erkennen, wenn sie „mit einem Lächeln, welches ihren himmlischen Zügen eingedrückt blieb“ (S. 108) verstirbt und damit wieder zu der religiös postulierten Einheit findet. „Sie verkörpert eine vollkommene Ganzheitlichkeit, die letztlich keiner komplementären Ergänzung durch den Mann bedarf“. (4) Diese alternativen Lebensentwürfe von Rosamunde und Gretchen stehen traditionellen zeitgenössischen Idealvorstellungen entgegen. So wie die Frau derzeit nur in Abhängigkeit von Männern (Vätern, Brüdern, Ehemännern etc.) gedacht werden konnte, so wurden sie auch in den literarischen Werken der Zeit dargestellt. Fischer kehrt dieses Konzept in ihrem Roman um und präsentiert die männlichen Protagonisten stark in Abhängigkeit ihrer Gefühle für Rosamunde und Gretchen.


(4) Männerbild

Diesen Überlegungen schließt sich auch die Darstellung von männlichen Figuren in Fischers Roman an. Fischer ist kritisch mit den Rollen, welche Männer zu erfüllen haben. Besonders deutlich wird dies mit dem Konflikt des Fürsten, welcher von Gretchen zurückgewiesen wird, weil sie davon überzeugt ist, sich nicht auf einem Thron zu ziemen und deswegen nicht seine Frau werden möchte. Die männlichen Charaktere sind nicht einfach als Bösewichte gezeichnet. Es wird deutlich, dass der Fürst ebenso unter den Erwartungen an seine Rolle als Mann und Fürst leidet. Zum einen, weil es ihm verwehrt bleibt, mit Gretchen an seiner Seite zu leben, wie er es gerne würde und er schließlich in eine Konvenienzehe einwilligt. Zum anderen ist ihm sein Umfeld am Hof nicht angenehm und seine Position als Fürst nicht angenehm: „sieh ich habe viel Arbeit und Sorge, und erblicke selten was Erfreuliches. Am wenigsten gefallen mir die Menschen, von denen ich umgeben bin“ (S. 23). Eine Motivation für den Heiratsantrag an Gretchen mag sein, dass er erhofft, seine Stellung durch ihr Beisein erträglicher zu machen. Dies verdeutlicht, dass Männer – trotz ihrer augenscheinlich privilegierten Situation – nicht glücklicher sind als Frauen, sondern ebenso unzufrieden sein können wie Frauen. Der Fürst ist ebenfalls eingeschränkt in seinem Streben nach Glück durch seine Position und die gesellschaftlichen Erwartungen. Auch sterben beide männliche Figuren früher und weniger glücklich als Gretchen.

Rezeption[Bearbeiten]

Der letzte Roman der Autorin Caroline Auguste Fischer teilt bedauerlicherweise das Schicksal vieler Romane weiblicher Autorinnen und findet nahezu keine Beachtung in der literarischen Nachwelt. Neben und nach der kurzen Ehe mit dem Autor Christian August Fischer machte sie lediglich Bekanntschaft mit der Schriftstellerin Helmina von Chézy. Darüber hinaus pflegte sie keine Kontakte in schriftstellerische oder künstlerische Kreise.

Ausgaben[Bearbeiten]

Fischer, Caroline Auguste: Margarethe – Roman. Mohr und Zimmer. Heidelberg. 1812. (Fischer, Caroline Auguste: Margarethe – Roman. In: Frühe Frauenliteratur in Deutschland; Bd. 3. Nachdruck d. Ausg. Heidelberg 1812. Olms. 1983).

Fischer, Caroline Auguste: Margarethe – Roman. In: Frühe Frauenliteratur in Deutschland; Bd. 3. Nachdruck d. Ausg. Heidelberg 1812. Olms. 1983.

Fischer, Caroline Auguste: Margarethe – Roman. Vollständige Neuausgabe mit einer Biografie der Autorin. Guth, Karl-Maria [Hrsg]. Hofenberg. 2015.

Literatur[Bearbeiten]

Purver, Judith: Passion, possession, patriarchy: Images of men in the novels and short stories of Caroline Auguste Fischer (1764–1842). In Neopholologus. Jg 1995. Vol. 79. Nr. 4. Springer Science &Business Media B.V. S. 619-628.

Touaillon, Christine: Der Deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts. Wilhelm Braumüller Universitäts-Verlagsbuchhandlung. Wien und Leipzig. 1919.

Krug, Michaela: Auf der Suche nach dem eigenen Raum: Topographien des Weiblichen im Roman von Autorinnen um 1800. Königshausen & Neumann, 2004

Einzelnachweise[Bearbeiten]

Der Roman wird im fortlaufenden Text unter Angabe der Seitenzahl zitiert nach: Fischer, Caroline Auguste: Margarethe – Roman. Vollständige Neuausgabe mit einer Biografie der Autorin. Guth, Karl-Maria [Hrsg]. Hofenberg. 2015

(1) Vgl. Krug, S. 311

(2) Ebd.

(3) Ebd. S. 314

(4) Ebd.


                                                                               "Bianca Steffen, Universität Paderborn"